Allein am allerbesten: Vic Chesnutt singt seine wunderbaren Folksongs diesmal ohne unnötige Band

Wenn Vic Chesnutt im Publikum ein paar Teenager sieht – und es gibt immer ein paar, die schon so früh so schlau sind, dass sie seine Musik verstehen -, dann grinst er nicht so überlegen wie viele seiner Kollegen, die ebenfalls auf die 40 zugehen. Er flirtet auch nicht wie sein Freund Michael Stipe manchmal. Oder ignoriert einfach alle wie sein anderer Freund Kurt Wagner. Chesnutt lächelt – ganz ohne den ironischen Zug, den sein Gesicht sonst so gern hat. Er kann sich einfach noch zu genau an seine jungen Jahre erinnern – und neuerdings spricht er sogar oft darüber.

In der Schule war er beliebt, „ein zorniger junger Mann, aber einer, der immer Witze gemacht hat. Die Leute hingen gern mit mir rum . Auch die Lehrer mochten ihn – obwohl er mit 13 beschloss, Athetist zu werden. Er sah sich einfach eines Tages in der Kirche um und fand, dass das alles Quatsch sei. „Das hat mein Leben ruiniert“, konstatiert er lakonisch. „Ich merkte, dass ich nicht alles glauben darf, was man mir erzählt. Dieser Vertrauensverlust hat wohl dazu gefuhrt, dass ich meine Lieder so investigativ sind und ich immer nach etwas unter der Oberfläche suche.“ Das können längst verloren geglaubte Erinnerungen aus der Kindheit sein („Speed Racer“), komplizierte Beziehungsgeflechte („Guilty By Association“) oder Bindungsängste („When I Ran Oft“ And Left Her“). Bei mehr als hundert Stücken kommt da eine Menge zusammen.

Sein neues Album, „Silver Lake“, ist wieder so ein Sammelsurium von Beobachtungen, kuriosen Geschichten und komischen „Slogans“, wie er die plakativeren Folksongs nennt. Wen die große Band, die er bei den Aufnahmen in einem Chateau in Los Angeles dabei hatte, eher störte, weil sie Chesnutts zerschossene, wunderbare Stimme übertünchte und seine schleppende Gitarre zu selten richtig zu hören war, der kann sich jetzt auf die Konzerte freuen: Vic kommt solo, nur mit seiner Gitarre und all den großartigen Liedern, die einen das Leben leichter ertragen lassen. Wer je so einen Auftritt gesehen hat, wird das nie mehr vergessen. Auch nicht, wenn man längst aus dem Teenager-Alter raus ist.

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