Alleingang aus Notwehr

Der Musiker als Businessrnaii ist in Deutschland noch die Ausnahme. Wer den Sprung in die Selbständigkeit wagt, tut's meist nur aus Mangel an Alternativen

Das „Artist-Owned-Entertainment“-Prinzip steckt hier zu Lande noch in den Kinderschuhen. Immerhin, Deutschrock-Dinosaurier wie Grönemeyer oder Westernhagen haben längst ihre eigenen Firmen (Grönland und Monkey Music), doch die kümmern sich in allererster Linie nur um die Belange ihrer Besitzer. Ernsthafte Parallelen zu Multitalenten, die wie Fred Durst musikalische Eier legen und sich gleichzeitig an den Milch- und Fleischtöpfen des Musikbusiness zurechtfinden, gibt es bisher nur im deutschen HipHop-Lager an Main und Neckar. Rödelheims Hartreimer Moses Pelham leistete dabei 1995 Pionierdienste: Der deutsche „Master P“ gründete die Firma 3p (Pelham Power Productions),schloss einen Labeldeal mit Epic/Sony und verkaufte seitdem über 5,3 Millionen Tonträger – der Löwenanteil davon entfallt auf die 3p-Stammhalter Sabrina Setlur und Xavier Naidoo.

Ein Jahr später stellten die Fantastischen Vier das Label Four Music an den Start und bescherten ihrem Vertriebspartner Columbia/Sony mit Freundeskreis, Afrob sowie den Solo-Werken der Fantas Hausmarke und Thomas D solide Absatzgaranten. Trotz der ausgeprägten Rivalität der Protagonisten verbindet die Business-Rapper aus Stuttgart und Frankfurt ein gemeinsamer Grundgedanke: Beide Firmen verstehen sich ab Künstler-Pool und nicht als Gelddruckmaschine, die die Gewinnspanne der eigenen Alben maximiert „Die Fantas sind als Band ja immer noch bei Columbia unter Vertrag, und nicht bei Four Music“, betont ihr Geschäftsführer und Entdecker, der frühere Sony A&R Fitz Braum. „Wir wollen in erster Linie Musikern ein Forum bieten.“ Ahnlich formuliert es auch Moses Pelham: „Ich helfe unseren Künstlern, das Beste für sich herauszuholen. Und wenn sie erfolgreicher sind als meine eigene Arbeit, schlagen keine zwei Herzen in meiner Brust“ Wesentlicher Unterschied: Während viele 3p-Produkte offensichtlich Pelhams Handschrift tragen, legt Four Music Wert darauf, „dass wir prinzipiell nicht produzieren. Bei uns gibt es keine Diktatur des Chefs, wo von Songwriting bis zum Marketing alles über einen Schreibtisch geht“, feuert Braum in Richtung Rodelheim.

Die Freiheit, in puncto Musik, Artwork und Single-Auswahl tun und lassen zu können, was man will, spielte für die deutschen Hip-Hop-Hebammen selbst keine entscheidende Rolle. „Künstlerisch unabhängig sind wir schon vor der Gründung von Four Music gewesen“, stellt die F4-PR-Maschine Smudo klar. Vielmehr trieb der stümperhafte Umgang der Musikindustrie mit HipHop die aufstrebenden Helden der Szene in die Selbstständigkeit: „Völlig klar, dass ausgerechnet Rapper Firmen wie 3p gründen“, findet Moses P. Sein Genre sei von den Majors systematisch vernachlässigt worden. „Am Anfang hat sich ja nicht mal ein Booker für uns interessiert. Wir mussten also alles selber machen. Ich hatte damals gar keine Geschäftsidee, sondern musste einfach eine Lücke schließen, um meine Kunst überhaupt machen zu können“, sagt der 29-Jährige. Manche Erfolgsgeschichte wäre tatsächlich ungeschrieben geblieben, wenn es nach dem Kopf der Verantwortlichen beim Major Sony Music gegangen wäre. Pelham kann sich das Feixen nie verkneifen, wenn er erzählt, wie schwierig es war, den Epic-Machern den vielleicht genialsten Schachzug der 3p-Geschichte zu verklickern: „Als Xavier Naidoo im Setlur-Video ,Freisein‘ singen sollte, hieß es nur: ,Das kapiert keiner. Das ist doch Sabrinas Lied.'“ Zwei Jahre später war Naidoo der erfolgreichste deutsche Musiker und versucht mit seiner Firma Söhne Mannheims gerade, den 3p-Erfolgen nachzueifern.

Fitz Braum hat ein ähnliches Beispiel: „Dass wir den Freundeskreis-Song ,Mit Dir‘ nicht in der Album-, sondern in einer R&B-Version ausgekoppelt haben, hat unser Vertriebspartner nicht verstanden.“ Die Single wurde übrigens vergoldet „Aber darum ging es gar nicht Freundeskreis wollen nicht in erster Linie Singles verkaufen, sondern Statements machen, etwas lostreten in diesem Fall die Liebe zum R&B.“ Während Smudo sich in seiner Wahlheimat Hamburg „mit Demotapes die Ohren blutig hört“, an einem Four-Online-Radio bastelt und relativ selten „den Geist des Labels durch unterhaltsame Präsenz in Stuttgart belebt“, hockt Kollege „Hausmarke“ Beck als A&R-Chef von morgens bis abends im Büro. „Er jammert oft genug, dass er nicht zur Arbeit an seinem zweiten Solo-Album kommt“, schmunzelt Braum. Während sich dieses Duo auf Dauer einen Wechsel auf die andere Seite des Schreibtischs gut vorstellen kann, hat der fantastische Rest mit Label-Arbeit wenig am Hut. Co-Rödelheimer Thomas Hofmann hat die Metamorphose vom Hit zum Decision-Maker dagegen bereits abgeschlossen und teilt sich die Büro-Tätigkeiten mit Pelham. Der gewichtigere Hartreimer kämpft gegen die Verwandlung noch an und beklagt, dass er seine persönliche Karriere für die Firma geopfert habe: „Von den 14 Stunden, die ich am lag arbeite, bleiben mir 50 Prozent für die Musik. 80 Prozent wären mir lieber.“

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