Aller Anfang ist in der Walachei

Benjamin von Stuckrad-Barre begleitet die Mädchen-Band AK4711 auf ihrem Weg zum Ruhm (1)

Das nächste große Ding-Dong, hört man’s läuten, Mädels, Deutschtext, Dreckrock, Clubtour, schon hängt der Geheimtip an der großen Glocke, ist im Grunde jetzt schon, pfuiabermei: Kult; nicht wahr, da kommt einem doch direkt das Kotzen. Immer denkt man doch, so, Schluß jetzt, nu‘ gibt’s aber wirklich genug tolle neue deutsche Bands (an schlechten mangelt’s eh nie), jetzt gucken wir mal, wie die bereits Vorhandenen sich so machen aber nein, dann geht das schon wieder los, macht alles weiter, hört! Ja, aber was wollen denn die jetzt noch? Die wollen uns, wir sollen die wollen; will sagen: Soll’n se mal, woll’n mal seh’n. Will man gar nicht, Nachtigall, wir hör’n dir nämlich klingeltönen. Trotzdem, da ist schon wieder was im Schwange, bei Mama Rock, dieser immermüden, aber nichtlahmlegbaren Gebärmaschine. Kommt schon wieder was raus, Pillen helfen auch da keine. AK4711 heißt die Band, die da und dort seit kurzem recht zwingend „Rock!“ kreischt. Müssen wir die Vorab-CD reviewen?

Vielleicht werden sie die Band des Herbstes, eventuell gehen sie auch ganz unter oder nur, aber besseralsnix, Japaner oder so finden’s geil, wer weiß es denn. In der Rockzeitung hier, da sind wir skeptisch. Cool sind wir nicht, wissen wir, aber auch deshalb zumindest doch unterkühlt. Berufskrankheit: Mädchenband? Ach nee. Na und? Braut haut ins Auge und Lassie Singers waren riesig, hat kein Schwein gekauft, Lemonbabies, waren eventuell hübscher, dafür ganz gewiß blöder und konnten’s nicht – haben paar Schweine gekauft, keine Sau erinnert sich, nee, neue Mädelsband, da sind wir erst mal skeptisch.

AK4711 also. Sagt der eine: Lustiger Name. Sagt der andere: Prada Meinhoff und so, dieser Berlinmittehumor, dazu noch angepunkte Sängerin, nee, echt nicht. Sagt er – und macht’s landestypisch, kriegt also die Krise. Hä, was, die Band muß man live sehen? Die kann man uns nackt auf den Bauch binden. Was es auch schon gegeben haben soll. Sagt man sich, wird erzählt. Ist aber denen nun ganz und gar wurscht. So toll ist an vielen dieser nicht wenigen neuen, herrlichen Bands wie Madsen, Klee, Astra Kids usw. usf., wie schnurz ihnen all das Branchenheinigewese ist. So toll am Konsumenten, denen da am Verbraucherende, speziell jenen, die weniger in so Foren dickeirig rumschwadronieren, weniger an Musik interessiert als verliebt in dieselbe sind; daß sie bloß sagen Jawoll oder Nödanke, sich dabei mit den Nö-Begründungen nicht zu lang aufhalten.

Der Produzent, kann man Zunge schnalzen, Gang Of Four! Wow? Wauwau. Weiter: Das Label Grönland ist vernünftig, speziell, geschmackvoll, außerdem vom Herbert, ist in London nicht ganz bei Trost, aber eben auch kein Indie-Spießerladen. Finden wir gut. Wie heißt also diese, deren neue Band? Nicht so laut. Rock! schreien sie. Eine Frauenband? Eine Mädchenband, sagen sie; sind alle sauber über 20, nennen sich Mädchen, was ab Mitte 30 tragisch sein kann, aber so weit sind sie noch nicht, und, seien doch auch wir mal ehrlich, tja, wie sagt man’s, gut, was klingt geiler, wen hätt man lieber inna Kiste? So gesehen – aber was meinen sie selbst damit? Was ist mit dem Wort „Dame“? Und außerdem hab ich irgendwo gelesen, dass Virginia jetzt! „nicht nur eine Mädchenband“ seien, also kann es sich auch aufs Zielgrüppchen beziehen, dies Wort. Nun, eine Girl Group sind AK4711 jedenfalls nicht, das ist mal sicher, denn sie können Instrumente bedienen, gecasted haben sie sich selbst, sie sind weder in obszönem Ausmaß modellig, noch aus der Kategorie zum Pferdestehlen verknackter Podiumsdiskutantinnen; und sie selbst schreiben, was sie da schreien. Prima Mädchen, die schön Radau machen, Humor haben und angenehm nichtmodisch sind, Rrrrrrright (bißchen auch Hyatt) Girls. Sie wollen’s auch ganz genau nicht „jetzt wissen“, weil sie’s nämlich schon wissen – so klingt das zumindest. Da drängen sich natürlich Vergleiche auf, schlaumeiert’s dann immer automatisch, aber das ist nur Schlaumeierblödsinn. Da müßt man ja gar nicht mehr vor die Tür gehen, wendete man diesen Vorbehalt konsequent an. MTV zum Beispiel hat schon sein heftiges Desinteresse bekundet. Was nämlich AK4711 machen, das, jetzt kommt’s, das also, sagt MTV, sei nämlich nix Neues. Das sagen ja die Falschen, denkt man da. Kitschig mag es sein, das Lamento wie wegweisend, vorausschauend, mutig usw. Musiksender mal waren – aber dann mag ich in diesem Punkt ganz gern kitschig sein. Da zwischen Jamba-Irrsinn und schlecht übersetztem Stumpfsinn im Musikfernsehen nurmehr ausnahmslos Abgenicktes und Durchgesickertes abgebildet wird, investieren neue Bands besser in Benzin als in Videos.

Und das finden wir hier, beim reaktionären Rockblatt, einen vernünftigen Weg, da kommen wir jetzt ein Stückchen mit: Die Platte kommt erst im November, hören oder sehen kann man AK4711 schon dieser Tage, in einer Samtgemeindenrockbude, bei einem Walacheiopenair oder im Programm eines anständigen Radiosenders – und jeden Monat in diesem Kästchen, hier wird ab sofort berichtet, was auf dem Weg passiert. Rock!

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