Am Erfolg des R&B-Sängers Xavier Naidoo zeigt sich, daß die clevere Politik des Rödelheimer 3p-Labels Früchte trägt.

Schöne Bescherung! Ein paar Tage nach Weihnachten rückte Xavier Naidoos Debütalbum „Nicht von dieser „Welt“ plötzlich auf Rang 2 der Charts vor. Vorläufig krönender Abschluß einer wochenlangen, massiven Hitparaden-Präsenz, die einheimischen Newcomern nur höchst selten zuteil wird. Die Platinauszeichnung für 500 000 verkaufte Alben steht jetzt, ein Dreivierteljahr nach Veröffentlichung, kurz bevor. Ein deutsches Pop-Phänomen.

Denen muß man gemeinhin etwas auf die Sprünge helfen. Das weiß auch das Produzenten-Team Moses Pelham und Thomas Haas alias Rödelheim Hartreim Projekt, maßgeblich beteiligt am Erfolg von Sabrina Setlur und Xavier Naidoo. Um ihre Künstler optimal in den Musikmarkt einzuführen, haben Pelham und Haas vor einem Jahr die Plattenfirma 3p (Pelham Power Productions) gegründet. Seither stricken die „krassen Jungs“ an einem Künstler-Netzwerk, zu dem neben Setlur und Naidoo auch die Rapper Illmat!c und Bruda Sven gehören. Die Vehemenz ihres bisherigen Erfolgs erklärt sich durch die ebenso clevere wie medienwirksame Förderung der 3p-Frischlinge durch bereits etablierte Acts des Kollektivs.

Für die Vermarktung des Single-Debüts „Freisein“ von Xavier (sprich „Saviour“, der Retter) Naidoo, jahrelang Backgroundsänger im Frankfurter 3p-Stall hatten sich die Rödelheimer Musikstrategen einen gewitzten Marketing-Clou ausgedacht: In dem wohl erstmaligen Fall von Video-Protektionismus hielt Label-Kollegin Sabrina Setlur zwecks Einführung des bis dato unbekannten Künstlers ihr hübsches Konterfei in die Kamera, ohne selbst auch nur einen einzigen Ton zu singen.

Der Plan ging auf. Und Mannheims Sohn hatte es geahnt. „Man erntet, was man sät“, schluchzt der stets devot dreinblickende 27jährige ins Mikro. Das Kapital des sanften Erlösers sind neben der ansprechenden Optik vor allem seine oft alttestamentarisch verbrämten Texte, die es offensichtlich schaffen, weibliche Herzen in spirituelle Schwingungen zu versetzen. Auf Naidoos letztjähriger Deutschland-Tournee, die wegen des rasanten Ticketabsatzes um einen Monat verlängert wurde, versammelten sich 12jährige Schulmädchen und 40jährige Hausfrauen in andächtiger Eintracht. Frau war schlicht entzückt ob der charmant-schüchternen Art des aus Indien stammenden Sängers, dessen messianisch vergeistigte Lyrik (seit dem Tod seines Vaters trägt er ständig eine Bibel bei sich) inzwischen sogar Bestandteil des Lehrplans mancher Schule geworden ist: Von Religionslehrern dankbar rezipiert, werden sie zu Interpretationszwecken im Unterricht eingesetzt „Deinen Namen trägt mein Herz/ Dein Fehlen ist mein Schmerz“ – bei derartigen Textzeilen, entnommen aus der aktuellen Single „Führ mich ans Licht“, glüht das Theologenherz und der Lehrkörper erreicht wieder seine Schäfchen. Alles mittels Rödelheimer Popkultur.

Der ehemalige Meßdiener sieht sich dennoch nicht als Gottes Sprachrohr vielmehr ab pragmatischer Christ: „Ich bin in einem strengen, römisch-katholischen Elternhaus aufgewachsen. Und natürlich war der familiäre Druck groß. Aber inzwischen habe ich zu meiner eigenen Spiritualität gefunden. Meine Empfindungen sind heute echt, nicht mehr aufgezwungen.“ Um die Glaubwürdigkeit solcher Sätze zu stärken, liefert Naidoo eine straßentaugliche Vita ab: Als Türsteher einer Mannheimer Disco besserte er an unchristlichen Tagen seine Apanage auf. Da paßt es ins Bild, daß der beseelte Retter sein bibelfestes Album ausgerechnet zusammen mit den Rödelheimer Rowdys eingespielt hat Die heilige Schrift im Pakt mit dem Schmuddeljargon der Frankfurter Slums – eingebettet in eine gewohnt flauschige 3p-Produktion.

Wem so viel Gutes wiederfahrt, dem fällt Dankbarkeit nicht schwer: Auf seiner vierten Single „Eigentlich gut“ ist nun Xavier an der Reihe, Steigbügelhalter für das Label-Sorgenkind Illmat!c und den neuen Art Bruda Sven zu spielen, dessen Debütalbum im März erscheint Versteht sich, daß im Video zu Svens erster Single mal wieder alle 3p-Künstler versammelt sind.

Nur einer litt unter der Protektions-Arie: Moses Pelham mußte seine für Dezember ’98 geplante Solo-Tournee aufs Frühjahr verschieben – alle Musiker waren noch mit Naidoo unterwegs. Geteiltes Leid ist halt nicht immer halbes Leid.

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