APRIL

Ausgegrungt hatte es sich eigentlich schon länger, aber erst der Split von den honorigen Seattle-Veteranen SOUNDGARDEN markiertedas definitive Ende einer Musikära, die unter „Grunge“ bereits in diverser Neuauflagen der einschlägigen Rock-Lexika nachzulesen ist. Das Hauptproblem sämtlicher Nirvana- und Soundgarden-Epigonen war ein Phänomen, das den Pubertätsforschern seit Jahrzehnten bekannt ist: Es kommt für jeden Mann der Tag, an dem er plötzlich erwachsen ist – egal, ob er darauf vorbereitet ist oder nicht. Soundgarden versuchten sich so gut sie konnten auf diesen Tag einzustellen, schnitten sich die Haare, bedeckten ihre Tattoos und spielten erwachsenen Heavy-Rock, als sei nichts geschehen. Diesen Trick hatten sie sich von Metallica abgeguckt, doch er funktionierte nicht. Hetfield und seine Mannen, das mußte Chris Cornell schmerzhaft erfahren, stammen aus einer Generation, die schon Jahre vor dem großen Seattle-Ding erfolgreich die Gitarren quälte und über den seltsam-süßlichen Marketing-Teen-Spirit nur müde lächeln konnten. Schade für Soundgarden, die ohne den Grunge-Hype die „Black Sabbath der Neunziger“ gewesen wären. Schade aber auch für die Kollegen von Pearl Jam, weil Eddie Vedder nun zum Tattoo-Abschleifer muß.

Eine recht willkommene Zweitverwendung für seinen neuen, modischen Kurzhaarschnitt fand JON BON JOVI vor Hollywoods Filmkameras: Nachdem der einstige Mädchenschwarm zunächst eine Nebenrolle in dem Streifen „The Leading Man“ gespielt hatte, fand er an dem Set-Treiben einen solchen Gefallen, daß er sich entschloß, für sein geplantes Soloalbum, Titel: Jiestinalion Anywhere“, statt eines Videos nun gleich einen kompletten Kurzfilm zu drehen. In diesem Werk spielt der Sänger an der Seite von Demi Moore einen frischgebackenen Familienvater, der sich mit diversen Problemchen herumschlägt.

Mit Big Beats aus der „Diskursdisko“ verunsicherte der deutsche Klangbastler Vincent Wilkie unter dem pfiffigen Künstlernamen LOTTE OHM im Frühjahr Kritiker und Plattenkäufer. Sein Albumdebüt pelzte Tanke vor Babylon“ klang, als würde Boris Becker Beck-Songs auf dem Laptop nachspielen. Doch Ohms Vater Colin Wilkie hatte Vincent genug Tricks in puncto klassischem Songwriting mitgegeben, um Lottes Patchwork-Spaß nicht als Videogame-Soundtracks enden zu lassen. Mal ganz zu schweigen von dem irrwitzigen Wortwitz zwischen „Blumenbengel“ und „Lichterkettenraucher“…

Wenigstens war der Mann konsequent: Als Peter Alan Greenbaum, besser bekannt als PETER GREEN, Anfang der 70er Jahre nicht mehr Claptons Nachfolger auf dem Bluesgitarrenthron sein wollte und auch keine Lust mehr hatte, mit Fleetwood Mac kommerziell verwässert zu enden, verschenkte er seine Gitarren und verzichtete auf sämtliche Tantiemen. Eine seiner Gibson Les Pauls machte später Gary Moore berühmt, aber davon bekam Green nichts mit – er war tief gefallen und in einer Nervenklinik gelandet. Erst Ende 1996 berappelte er sich und nahm eine Solo-LP auf. Im Frühling trieb er bei seiner Deutschland-Tour allen Blues-Fans wieder Tränen in die Augen.

Nachdem der LSD-Prophet TIMOTHY LEARY monatelang sein schleichendes Ableben auf der eigenen Web-Page zelebriert hatte, wollte er sich posthum nicht nur mit dem Cyberspace begnügen. In seinem letzten Willen verfügte Leary. seine Asche solle mittels eines Flugzeuges vom Himmel aus ins Meer verstreut werden. Gemeinsam mit den eingeäscherten Überresten 22 weiterer Zeitgenossen – darunter auch der Schöpfer der „Star Treck“-Serie GENE RODDENBERRY – wurde Learys Asche bei einem Rundflug über den Kanarischen Inseln in Höhe von 10 000 Metern aus einem am Rumpf angebrachten Container in alle Winde verstreut.

Als Rock’n’Roller darf man in den USA mr, nach wie vor alles: Drogen nehmen, Hotelzimmer verwüsten, tote Ratten ins Publikum werfen. Nur eine Verfehlung fährt zur sofortigen Stigmatisierung -Zigarettenrauchen in der Öffentlichkeit Kettenraucher IGGY POP mußte die Erfahrung machen, daß selbst die völlig rauchfreie Kippe „Skoal“ seines Sponsors aufheftigsten Widerstand stieß. Als dann auch noch seine Filmmusik für Johnny Depps Regie-Debüt „The Brave“ bei der Kritik durchfiel, hatte Iggy die Nase voll: J-uck them all!“, war sein Kommentar.

Neben seinem längst verdienten Stern auf dem „Hollywood Walk Of Fame“ und dem vielbeachteten „art Wme“-Album machte DAVID BOWIE in diesem Jahr vor allem als Finanzexperte und Lady Di-Kommentator auf sich aufmerksam. Das, „Forbes“-Magazin errechnete, daß Bowie mit einem Vermögen von 1,6 Milliarden Mark der reichste Popstar Englands ist Zu Diana Spencers Unfall sagte er trocken: „Ich habe es immer gesagt – steigt nie in ein Auto, dessen Fahrer zu viel Alkohol getrunken hat.“

Pyro-Effekte, Hunderttausend-Watt-3 Anlagen, Böllerschüsse – Pop-Konzerte sind nicht gerade ein Spielplatz für lärmempfindliche Kleinkinder. Deshalb schaute Bonos Gattin auch nur kurz mit ihrer Kleinsten mal bei der „PopMart“-Tournee von U2 vorbei. Sogar Daddys Ohrstöpsel dämmten den Lärm kaum.

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