Arne Willander schaut fern: Ken Burns’ Dokumentarserie „Country Music“
Auf Arte: das monumentale Mount Rushmore der Hillbilly- und Bluegrass- Musik
Die erstaunlichsten und traurigsten Geschichten in dieser 16-stündigen Dokumentarfilmserie handeln von Jimmie Rodgers, dem singenden Zugbremser, und von Hank Williams, dem Hillbilly-Shakespeare. Der eine hatte Tuberkulose und kaufte immerzu neue Autos, wenn er Geld bekam, und der andere hatte ein Rückenleiden und betrank sich besinnungslos, bis er während einer Reise zu einem Konzert auf der Rückbank starb.
Ken Burns hat Dokumentarfilme über den Sezessionskrieg, den Zweiten Weltkrieg und den Viet- namkrieg gemacht und einen gro- ßen Dokumentarfilm über Muhammad Ali. Mit dem Autor Dayton Duncan hat er die neun Episoden von „Country Music“ genauso eingerichtet: Er erzählt chronologisch und anhand von Biografien. Wir sehen ärmliche Hütten in den Appalachen und in „George Jones SINGT nicht Country Music – er IST Country Music“ Virginia, ausgemergelte Farmer und depravierte Fabrikarbeiter. Wir sehen die Carter Family. Wir hören Fiddle, Banjo und Mandoline. Und wir hören die Stimme von Peter Coyote aus dem Off, der uns vom harten Leben in der Großen Depression erzählt, von Versicherungsfirmen, die sich Radiosendungen mit Live-Gesang kaufen, und der Entwicklung der Ton- und Aufnahmetechnik.
Sodann der Aufstieg des Western-Swing-Impresarios Bob Wills in den 30er-Jahren und die Tanzbodenbälle, bei denen er die Musiker „mit loderndem Blick“ anspornte, Hank Williams, die Grand Ole Opry, die Bluegrass- Meister Bill Monroe und Earl Scruggs, Patsy Cline, Dolly Parton, Loretta Lynn, Kris Kristofferson, Emmylou Harris und Gram Par- sons, Johnny Cash, Willie Nelson, Waylon Jennings, Outlaw Country und Countrypolitan in den 70er- Jahren, der Produzent Billy Sher- rill, der Gitarrist Marty Stuart, der Songwriter Rodney Crowell, Ros- anne Cash, George Jones, Tammy Wynette und die Nitty Gritty Dirt Band. Schließlich die „Hat Acts“ Garth Brooks und Vince Gill.
Mit autoritativer Stimme verkündet Peter Coyote die Pointe, nachdem er von der Aussichtslosigkeit von Willie Nelsons kargem „Red Headed Stranger“ 1975 berichtet hat: „It sold two million copies.“ Und auch Marty Stuart spricht vor der Kamera geübt hemingwayesk: „Ohne Jimmie Rodgers hätte es nichts von all dem gegeben.“ Mein Lieblingssatz lautet: „George Jones SINGT nicht Country Music – er IST Country Music.“
Hier ist alles vom Leben beglaubigt.