Aufbruch im Namen des Vaters

Bebel Gilberto, Tochter der Bossa Nova-Legende Joao, bewegt sich im Genre auf eigenen Füssen. Seine Ratschläge hat sie dennoch im Gepäck

Nun gibt es sie also ganz in neu, die ehedem schon „Neue Welle“, portugiesisch: Bossa Nova. Und Bebel Gilberto, bereits ungefragt der Creme des „Neo Bossa“ zugerechnet, weiß noch nicht so ganz genau, ob sie sich nun freuen soll. „Über das Prädikat auf jeden Fall schon mal nicht“, lächelt die Brasilianerin, „denn wer sich einen Stempel auf die Stirn drücken lässt, lebt auch gern hinter verschlossenen Türen. Ich aber will ja gerade welche öffnen.“ Die jüngste Renaissance des Genres indes, bereits Anfang der Sechziger als Modetanz und freilich oft genug in verwässerter Form auch nach Europa geschwappt, mache sie „nun nicht eben unglücklich. Ich bin ja meines Vaters Tochter, und für ihn bedeutete dieser Bossa Nova das Leben an sich. Diese Erbschaft muss ich irgendwie antreten.“

Zu dem Weg, den Bebel nun mit ihrem Album „Tanto Tempo“ eingeschlagen hat, dürfte der Papa stolz applaudieren. Schließlich hat auch Joao Gilberto nicht unbedingt zu den Konservativen seiner Zunft gezählt. „Und er hat mir die zwei wichtigsten Säulen unserer Kunst beigebracht oder sogar vererbt: immer den Instinkten folgen, niemals artifiziell klingen.“

Nach den ersten Tracks aber fürchtet man beinahe, Bebel Gilberto habe sich zumindest an den zweiten Teil der güldenen Regel ein wenig zu sklavisch gehalten. Denn Songs wie den Opener „Samba da Bencao“ haben wir schon in der Wiege gehört, damals hieß die Sängerin ebenfalls Gilberto, nur vorne eben Astrud. Spätestens bei Track sechs allerdings, „Alguem“ betitelt, fragt man sich, allerlei Samples und Loops im Ohr, was die wunderschöne Stimme wohl mit „niemals artifiziell“ gemeint hat.

„Ich glaube, du hast mich etwas falsch verstanden“, lenkt die Künstlerin generös ein, „denn fände ich Elektronik künstlich, wäre ich nur nostalgisch. Mein Studio steht voll mit all diesem neumodischen Kram. Ich liebe es, Songs am Computer umzubauen, das ist wie ein Riesenpuzzle, toll!“ Nur seine Grenzen müsse man halt genau kennen, und darum mache sie sich „die allergrößten Sorgen“. Könnte es womöglich sein, dass in Brasilien ein sehr spezieller Umgang mit der Kunst gepflegt wird? Bebel nickt. Nicht umsonst hat sie die Heimat vor zehn Jahren verlassen. Was sie in New York tun konnte, „wäre in Rio nie möglich gewesen. Da bleibt mein Name eine Last. Klinge ich wie mein Vater, äffe ich ihn nach, klinge ich ganz anders, trete ich sein Erbe mit Füßen.“

Doch seitdem „wieder Leute Grammies kriegen, obwohl sie wissen, wie man einen guten Song schreibt“, hat Bebel Gilberto endgültig keine Angst mehr.

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