Ausgezeichnet

Es muss Dieter Gorny weh getan haben, dieser Star-Auflauf bei den „MTV Europe Music Awards“ in Stockholm. Das ganze Jahr lang hat der VTVA-Chef um die Marktführerschaft gekämpft, und dann das: An einem frostigen Abend wird all die Arbeit zunichte gemacht und jeder sieht, wie albern der deutsche Sender im Vergleich zum europäischen wirkt Ein Beispiel: Bei der „Comet“-Verleihung kamen immerhin Bon Jovi. Für zehn Minuten. Holten sich ihren Preis ab, gingen sofort auf die Bühne, sangen zum Playback lusdos „It’s My Life“ und verschwanden. So deutlich konnte man

Desinteresse selten spüren. Anders bei den EMAs: Da hingen U2 und Madonna, die All Saints und Spiee Girls, Ricky Martin und Jennifer Lopez die halbe Nacht rum. Ließen sich fotografieren, befragen und feierten im Falle von Robbie Williams buchstäblich bis zum Umfallen. Die Organisation war perfekt, und moderiert wurde die Gala von Wyclef Jean, der doch ein bisschen eloquenter ist als Mola AdebisL Eins bleibt allerdings ärgerlich: Es erscheint, wer gewinnt – oder gewinnt, wer erscheint? Jedenfalls setzt sich der Trend, dass Preisverleihungen immer vorhersehbarer werden, fort. Bis auf die Oscars hat es 2000 alle erwischt: Die Grammys waren so unspektakulär wie eh und je, die US-MTV-Awards wie üblich eine HipHop- und Teen-Pop-Veranstaltung ohne Überraschungen. Der Echo ist sowieso berechenbar, weil von Verkaufszahlen abhängig. Und in Stockholm konnte man bei fast jeder Kategorie die Gewinner erahnen: „Bestgroup“? Die Backstreet Boys, die ja eh gerade Promotion für ihre neue Single machten. „Best dance“? Wenn Madonna schon angereist ist, wird sie auch gewinnen. „Best female“ ist sie fast immer.

Der einzige, der das Schema sprengte, war – wer hätte es gedacht – Eminem. Er warf per Videoeinspielung ein fröhliches „MTV viewers, kiss my ass!“ in die Runde, keine Entschuldigung fürs Fernbleiben. Später bedankte er sich allerdings genauso artig wie alle anderen beim Sender. Enttäuschend.

Während in der Globe-Arena die Show lief, wurden Zug um Zug die Stars des Abends in den Presseraum backstage geschleust – und da fiel sofort viel Glamour weg. Den Backstreet Boys gelang es nicht einmal, so zu tun, als fanden sie die Veranstaltung unterhaltsam. „Solche Auszeichnungen bedeuten uns viel“, „die Fans sind uns am wichtigsten“ – die Klischees wurden runtergespult, ohne einzelne Silben zu betonen. „Zombies“ war das Wort, das einem in den Sinn kam. Und dann stand da auch schon Jennifer Lopez. Keine Antwort ohne vorherigen Blick zum Manager. Bei einer harmlosen Frage nach Puff Daddy riss ihr Bodyguard dem Reporter sofort das Mikro aus der Hand-„Nextquestion!“ Ob sie mal nach Polen käme? „Wohin? Was ist das?“ Der Manager zischte, aber Lopez verstand ihn nicht und kickste vorsichtshalber: „Klar. Ich gehe überall hin, wenn man mich haben wilL“

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