Bänkelsang und Badefreunden

Bob Dylan spielte sein einziges Deutschlandkonzert am Rhein-Herne-Kanal

Gelsenkirchen, Amphitheater: Der auf einem Verstärker wirkunsvoll postierte Oscar strahlte in der Sonne wie Oskar. Bob Dylan und seine Band schienen vom Abendspaziergang am Rhein-Herne-Kanal direkt auf die am Ufer gelegene Bühne zu schlendern. Die Musiker in beigen Anzügen, ihr Chef im Gehrock, mit Cowboyhut. Auf der anderen Uferseite hatten es sich einige Badegäste und Picknickfreunde gemütlich gemacht, Jungmänner paddelten auf Surfbrettern über den Kanal. Einer hatte sich gar mit seinem Schlauchboot in die Kanalmitte vorgepaddelt und schützte sich mit einem Pepitahütchen gegen die tiefstehende Abendsonne. Doch der Wind stand ungünstig für die vielen Zaungäste und wehte den Sound direkt auf die Ränge des Amphitheaters. „Maggies Farm“ machte den Anfang. Dylans Keyboard tönte kirchenorgelnd. Wie ein alter Leierkastenmann stand er dahinter. The lonesome organ grinder cries – und wie! Nach der Hälfte des Songs schaltete er vom Näseln auf Brustton, dehnte die Silben, riss die Wörter auseinander und ließ sie zwischen Dada und Folkweisheit hin- und hertanzen. Immer neue, simple Melodien fand er auf seiner Orgel, nahm sie – wie später im süperben „Seflor“ und dem überraschenden „Forever Young“ – mit der Mundharmonika auf und spann sie weiter. „Desolation Row“ schwebte zwischen Gospelpredigt und Kinderlied, zu „I’ll Be Your Baby Tonight“ tuckerte ein Schiff vorbei, drehte bei und blieb hinter der Bühne stehen. Ob die Besatzung wusste. dass es der große Bob Dylan war, dem sie lauschte, und nicht die Countryfreunde Lünen? Mit „New Morning“ becircte Dylan dann tatsächlich fast sirenengleich (allerdings in Nebelhorn-Tonlage). Selbst die durch die übereifrige Band in letzter Zeit oft zerstörten Rockstücke funktionierten prächtig. Denny Freeman hatte seine zuletzt arg manierierten Jazzexkursionen im Blues geerdet. „Stuck Inside Of Mobile…“ taumelte noch. „Honest With Me“ war bereits druckvoll, ein kompaktes „Highway 61 Revisited“ vertrug sogar ein Orgelsolo, „Summer Days“ swingte, und die Zugaben gerieten zum Fanal: „Like A Rolling stone“ zerkaut und grimmig ausgespuckt, „All Along The Watchtower“ mit Gospel-Strophe und Hendrix-Chorus. Der Wind heulte auf, die Badegäste zogen T-Shirts über.

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