Bekannt ist er als Producer von Björk oder Sun Ra. Nun legt TALVIN SINGH seine eigene LP vor

Diese Geschichte beginnt vor einigen tausend Jahren in Indien oder montagnachts im „Anokha“-Club in London. Dort trifft man Björk, Pulp-Sänger Jarvis Cocker oder Duran-Duran-Kopf Simon Le Bon, doch das freundliche, schwarz-weiß-asiatische Publikum sieht nicht aus, ab sei es daran interessiert. Lieber tanzt es zu einem komplexen, indisch angehauchten Drum’n’Bass oder versammelt sich neugierig am DJ-Pult, wenn dort der Veranstalter Talvin Singh wieder mit dem Sänger Cleveland Wattkiss eine Live-Performance aufführt. Gesampelte Sounds, Percussion und das volle Organ des Elektro-Jazzers verbinden sich zu einer gerade noch tanzbaren, recht anstrengenden Musik. Doch die Zuhörer sind begeistert.

„Ich habe diesen Anokha“-Termin bewußt auf einen Montag gelegt“, erklärt der indischstämmige, in London geborene Singh. „So war ich sicher, daß nur Leute kommen, die an der Musik interessiert sind.“ Ein schöner, unkommerzieller Plan des 28jährigen, der von sich sagt: „Ich bin ein Künstler, kein Handwerker.“ Und geschadet hat’s ihm auch nicht, im Gegenteil: Der wöchentliche „Anokha“ (pakistanischer Slang für „einzigartig“) ist nämlich seit der Einführung vor drei Jahren eine Legende, der eine ganze Bewegung folgte: der Asian Underground, die Elektro-Szene englischer Inder.

„Meine Generation, die Kinder der indischen Einwanderer, hat lange Zeit keinen eigenen musikalischen Ausdruck gehabt. Das habe ich geändert“, erklärt Singh stolz. Ob dies eine Einzelleistung war oder ein Zeichen der Zeit ist, sei dahingestellt Der in Indien ausgebildete labla-Spieler machte zwar die asiatischen Klänge ab Produzent oder ab Musiker etwa für Björk, Sun Ra, Bim Sherman oder Courtney Pine bekannt Doch andere feierten zu selben Zeit ebenfalls Erfolge, nicht zuletzt Cornershop, denen Singh eher distanziert gegenübersteht: „Die sind auf einem Konkurrenztrip.“ Für ihn zählt dagegen die Gemeinschaft, weshalb er auch die erste Compilation der Szene zusammenstellte: „Anokha – Soundz Of TheAsian Underground“. Nun folgt Talvin Singhs Debüt-Album: „OK“.

„OK“ greift die typischen Klänge der Szene auf: Drum’n’Bass-Wirbel, Tabla-Rhythmen, indische Gesänge und lange meditative Sequenzen, die von Sitars, Flöten und Keyboards bestimmt werden. Diese Elemente fugt Singh zu Songs zusammen, die wie Sound-Reisen wirken, musikalische Roadmovies. Dazu paßt Singhs Arbeitsweise: „Ich habe, wenn ich einen Track einspiele, zuerst ein Bild im Kopf, das ich musikalisch umzusetzen versuche. Das kommt aus der indischen klassischen Musik. Stücke sind dort an bestimmte Bilder gebunden, die die Musik ausdrücken soll. Es ist ein Geschichtenerzählen ohne Worte.“

Spaziert die Jahrtausende alte indische Musik nun durch die Hintertür in die Popmusik? Nein, meint Singh, sie war schon immer da: „Indien ist eine der Wiege euopäischer Kultur. Vieles ist von dort nach hier gekommen. Das merkt man sogar in der Sprache. Denke nur an ‚Sitar‘ und ‚Guitar‘.“ Interessanter jedoch findet er das Heute: „Die Leute erleben nichts, alles ist Fernsehen. Deshalb möchte ich Erfahrungen vermitteln, etwas Lebendiges. Dabei möchte ich selber etwas erleben. Wie beim Sex. Hast du selbst Spaß, hat auch der andere mehr Spaß.“ „Anokha“-Club, jeden Montag im „The End“, 18 West Central Street, London WE

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