Beten um Verständnis

"„Älter und smarter" ist KELIS geworden - und bereit, auch mal neue Wege zu gehen

Kelis gilt als Künstlerin, der ein gewisses Maß an Zickigkeit und Aggressivität nicht fremd ist. Den Grundstein dafür legte wohl ihr erster Hit „Caught Out There“. „I hate you so much right now“ lautete die Kernzeile jener groovig-harschen Grußbotschaft an einen Verflossenen, an die man sich auch knapp anderthalb Jahre später noch erinnert. Vornehmlich dann, wenn man kurz davor steht, seine humanistische Weltanschauung zugunsten einer gepflegten Vendetta aufzugeben.

Der Song stammt von Kelis Debüt-LP „Kakidoscope“, einem sehr kraftvollen R&B-Spektakel auf HipHop-Basis, das der damals erst 20-jährigen New Yorkerin reichlich Gelegenheit gab, sich singend und rappend, wütend und schmeichelnd auszutoben. Das griffige Bild vom humorarmen R8CB-Küken mit wallender Lockenpracht war schon damals zu klein für die Sängerin, in deren CD-Player zur Zeit neben „viel altem Zeug“ auch die Gitarrensongs von Muse rotieren und zu deren Träumen so unterschiedliche Dinge zählen wie zum Mond zu fliegen, Mutter und Großmutter zu werden und eine Comedyschule zu besuchen.

Hinter den Aufnahmereglern des oft bejubelten Erstlings standen die Neptunes. In den viel beschäftigten Star-Produzenten, die derzeit unter dem Namen N.E.R.D. selbst ins Rampenlicht wollen, fand Kelis ihre musikalischen Traumpartner. So entstand auch ihr zweites Werk, „Wunderland“, unter der Ägide von Chad Hugh und Pharell Williams.

Die Unterschiede zum Vorgänger liegen vor allem in der persönlichen Weiterentwicklung der laut Eigenaussage „älter und smarter“ gewordenen Kelis. Dazu gehören Blicke über den musikalischen Tellerrand wie in „Perfect Day“, einem Track, den die Kollegen von No Doubt als Backingband recht rockig veredeln. Der große Stilbruch scheint aber nicht ins Haus zu stehen – wie auch: „Dieses Album bin einfach ich. Wenn die Leute es nicht verstehen, verstehen sie mich nicht. Aber ich bete, dass sie es tun.“

Durch ihre impulsive Art wird Kelis oft missverstanden, und so wundert es kaum, dass sie ausgedehnter Öffentlichkeitsarbeit nicht allzu euphorisch gegenübersteht: „Es ist kein Spaß, die ganze Woche lang Interviews zu geben. Doch das ist wohl eines der Opfer, die ich bringen muss, damit ich auf die Bühne darf.“ Diesen Sommer tat sie dies gar als Support bei einigen Konzerten der U2-Europa-Tour. Eine Aufgabe, der sie mit großer Freude und ganz ohne Angst entgegensah. Dass die Fans der Iren Probleme mit Kelis‘ Stil haben könnten, zog sie gar nicht in Betracht. „Live kommt es ja nicht auf die Art der Musik an, sondern nur auf die Energie, die dahintersteckt.“ Und an Energie – soviel steht fest – mangelt es Kelis bestimmt nicht.

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