Birgit Fuß fragt sich durch: Kann es jemals zu viel ROCK geben?

Damit es nicht zu besinnlich wird, diesmal ein Thema, das Großbuchstaben braucht.

Er hat’s ja selbst gemerkt. Es ist nicht so, dass Dee Snider keine anderen Wörter als „Rock“ kennen würde, aber: Keiner schreibt so herrliche Hymnen auf die laute Gitarrenmusik wie er. (Und ja, das schließt AC/DC mit ein.) Also hat er sich das auch bei seinem diesjährigen Soloalbum, „Leave A Scar“, wieder erlaubt: „I Gotta Rock (Again)“ erinnert an die seligen Zeiten, als er mit Twisted Sister einen Klopfer nach dem anderen raushaute. Perfekte Songs, um die Festtage jetzt etwas dynamischer zu gestalten.

Wie stand es so schön im Innensleeve von „Stay Hungry“ (1984)? „Play it loud, mutha!“ Manchmal fragen mich Leute, warum ich eigentlich so gern einfache, altmodische Rockmusik mag, und dann verweise ich auf den Song „I Wanna Rock“. Wie Dee darin mit seiner unverwechselbaren Stimme davon singt, wie die Musik durch ihn hindurchschießt und dass es nichts Besseres gibt und Leiserstellen keine Option ist: Das ist die reine Lebensfreude. Da ist mir so was von egal, dass die Gitarren billig klingen und die Produktion bei fast jedem TS-Album schlimm daneben ist. Marginalien angesichts der Kraft von Dee Snider.

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Und das war von Anfang an so: 1982 sang er auf dem Debüt von den „Bad Boys (Of Rock’n’Roll“) (1982) – ein fantastisch simpler Song über die Freiheit der Außenseiter. Es war die Zeit, als (zumindest auf dem bayerischen Land, wo ich aufwuchs) noch alle komisch angeguckt wurden, die Kutten trugen und lange Haare. Für uns sang Dee: „We just wanna enjoy our lives/ And have fun with all that we do …/ And we’re sick of listening to you!“ Die Rebellion gegen die Spießigkeit gehörte beim Heavy Metal und Hardrock immer dazu, sie war vielleicht sogar das entscheidende Element. Ein Jahr später deklamierte er selbstbewusst: „You Can’t Stop Rock’n’Roll“!

Als ich Twisted Sister 1985, mit dreizehn, zum ersten Mal hörte, fiel mir der Song „I Believe In Rock’n’ Roll“ auf: Da schreibt Dee die Pledge of Allegiance um, er fühlt sich den United States of Rock zugehörig – und ehrlich, geht’s dort nicht wirklich erfreulicher zu? Alle schütteln den Kopf im Takt, statt sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen.

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Dass auf dem letzten Twisted-Sister-Album, „Love Is For Suckers“ (1987), ein ROCK-Song fehlte, war wohl schon ein schlechtes Zeichen für die Zukunft. Immerhin gab es „One Bad Habit“: Priester und Väter würden ihn weiterhin verurteilen, behauptet Dee da, weil er einfach dieses eine böse Ding nicht aufgeben kann: „There’s nothing else I crave so I’d trade the life I’d save/ For my rock’n’roll, now come on and sing!“

Die Band löste sich wenig später auf, ging irgendwann wieder auf Tour und dann in Rente. Was konstant blieb, war Dee Sniders positive Energie – heute staucht er auf Twitter Konservative zusammen, feiert alle Kolleg*innen, die wie er die Rockmusik hochhalten, und setzt sich immer noch gegen Zensur und für Toleranz und Solidarität ein. Und was singt er nun 2021 in „I Gotta Rock (Again)“? „There’s no better feeling/ Like there’s nothing you can’t do/ It’s a heavy metal healing/ With your questions answered/ And your dreams come true.“ Ja klar, ist wahrscheinlich übertrieben, aber zumindest gibt er einem für vier Minuten das Gefühl, dass es so sein könnte: dass alles möglich ist, wenn man es nur unbedingt will! Ich habe ihm das schon mit 13 geglaubt, und geschadet hat es bestimmt nicht.

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