Birgit Fuß fragt sich durch: Wie kann eine Frau im Musikgeschäft unabhängig und freundlich bleiben?

Über die Ausnahmesängerin Ani DiFranco

Es geht ja schon gut los: Im ersten Stück von „Little Plastic Castle“, dem Titelsong, vergleicht sich Ani DiFranco mit einem Goldfisch – die hätten auch kein Erinnerungsvermögen, und deshalb sei das kleine Plastikschloss in ihrem Aquarium immer wieder eine Überraschung für sie, wenn sie daran vorbeischwimmen. Ihr geht es so mit den Straßen der Stadt, mit den Cafés und den Zeitschriften. Nichts bleibt im Gedächtnis. Und dann nerven da noch die Leute, die sich beschweren, wenn die Feministin Lippenstift trägt, und die all ihre Klamotten für „new statements for all womankind“ halten. Auf diese „girl police“ hat Ani keine Lust, sie braucht mehr Freiraum.

„Little Plastic Castle“ war 1998 schon das achte Studioalbum der damals 28-jährigen Singer-Songwriterin aus Buffalo/New York. Sie war etabliert als unabhängige Künstlerin, die von Anfang an ihre Platten auf dem eigenen Label Righteous Babe Records veröffentlicht hat, zwischendurch auch welche von Andrew Bird, Arto Lindsay und Anaïs Mitchell. Musikalisch war und ist sie genauso umtriebig wie geschäftlich: Seit dem Debüt 1990 hat sie mehr als 20 Alben aufgenommen, und immer wieder ist ihre wilde Mischung aus Indie-Rock und Folk, in die sie locker Jazz- und Funk-Elemente einbaut, beachtlich. Das liegt auch an der ungewöhnlichen Art zu singen – sie spart sich alles Mädchenhafte, so- gar in den zarten Momenten. Manchmal, wie auf „Fuel“, rappt sie fast, oft klingt ihre Gitarre so quirlig wie sie selbst. Die Poesie hat nichts Angeberisches.

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In „Pixie“ betont sie, dass Auge um Auge nicht ihr Ding ist: „I’m the color-me-happy girl/ Miss Live-and- let-live/ And when they’re out for blood/ I always give.“ Und genau das ist es, was Ani DiFranco ausmacht: Sie schlägt nicht zurück, sie lässt sich nicht auf die Niederträchtigkeit der Welt ein. Sie schafft sich lieber ihre eigene. Es geht darum, das Beste aus allem zu machen. Sogar dem Idioten, der in „Gravel“ zwei Frauen erzählen will, sie wären die Eine für ihn, kann sie nicht richtig böse sein. Okay, du hältst mich vielleicht für immer davon ab, glücklich zu sein, sagt Ani, aber meinen Spaß werde ich trotzdem haben! Und auch das steckt stets in ihrer Musik: eine unbändige Lebensfreude, trotz allem.

Dass sie irgendwann erklärt hat, Frauen genauso zu lieben wie Männer, und dass das für sie einfach eine Selbstverständlichkeit war, über die nicht weiter geredet werden musste, spricht ebenso für sie wie ihr Engagement gegen jede Art von Intoleranz. (Und mit ihrem „Babefest“ hat sie schon im Jahr 2000, als noch kaum jemand sich über die zu 95 Prozent männlich besetzten Rockfestivals aufregte, eine Veranstaltung organisiert, bei der nur Frauen auftreten.)

Zum besten Song des Albums: In „Swan Dive“ plädiert Ani für den Kopfsprung ins Wasser, obwohl Haie drin sind. Und dann singt sie tatsächlich: „I’m gonna pull out my tampon/ And start splashing around/ Cuz I don’t care if they eat me alive/ I’ve got better things to do than survive.“ Abgesehen von Robert Earl Keen und (ausgerechnet) Marilyn Manson fallen mir keine anderen Künstler*innen ein, die mal Tampons in ihren Songs erwähnt hätten, und schon gar nicht in Verbindung mit Haien. Lieber aufgefressen werden, lieber ertrinken, als ängstlich am Ufer hocken zu bleiben: Wenn das keine schöne Metapher fürs Leben ist!

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