Blutorgien im TV

Eine Mädchenleiche wird gefunden, aufgespießt auf ein Elchgeweih. Einem Mann werden die Augen ausgestochen. Ein Typ wird in einer mit Urin gefüllten Badewanne ertränkt. Einem anderen werden die Fingernägel gezogen, ohne Betäubung natürlich. Ein Penis wird abgebissen und liegt blutend am Boden. Eklig? Eine ganz normale Woche, wenn man gern amerikanische Fernsehserien anschaut. Und inzwischen ist es offensichtlich auch ganz normal, dass man die Grausamkeiten bis ins blutigste Detail zeigt. Andeuten war gestern. Wer dachte, dass Jack Bauer bei „24“ mit mancher Foltermethode schon an die Grenzen des Erträglichen ging, der wusste noch nicht, was bei Serienmördergeschichten wie „Hannibal“ oder „The Following“ möglich ist. Nur: mit welchem Ziel? Wo soll die Verrohung hinführen? Das ist keine (rein) moralische Frage, sondern auch eine strategische: Wenn die Fantasie nicht mehr gebraucht wird, bleibt dann nicht die Faszination auch auf der Strecke?

Dass es etwa bei der Rocker-Serie „Sons Of Anarchy“ recht robust zugeht, dass geschossen, geprügelt und vergewaltigt wird, passt natürlich – aber um ein mörderisches Milieu abzubilden, muss man nicht jeden Gewaltausbruch episch inszenieren, jede abgehackte Hand und jede zermatschte Birne in Großaufnahme zeigen. Wenn im richtigen Moment abgeblendet wird und man sich den folgenden Horror trotzdem genau vorstellen kann, kann das sogar beeindruckender sein als ein allzu banales brutales Bild. Im Grunde ist es das Gleiche wie bei nackter Haut: Will man von Scarlett Johansson träumen oder Pamela Anderson in full frontal nudity sehen? Eben. Während die Gewalt im Fernsehen immer mehr zunimmt, kann man das für den Sex übrigens nicht sagen. Da bleiben die prüden TV-Standards weitestgehend intakt, nur „Californication“ und „True Blood“ wagen etwas mehr. Ein erigierter Penis ist in Amerika offensichtlich immer noch schlimmer als ein abgebissener.

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