Bob Dylan – Düsseldorf, Philipshalle

Bob Dylans lange Reise mit noch ungeklärtem Ausgang geht weiter

Es ist das 17. Konzert, das Bob Dylan in diesem Jahr spielt, das 199. mit dieser 20. Band-Besetzung seit dem 7. Juni 1988, dem Tag, an dem er seinen Liedern im kalifornischen Concord Räder unterschraubte, sie auf die Straße setzte und ihnen folgte, wo immer sie ihn hinführten. An diesem Abend, es ist der 1928. dieser Tour, rollen sie durch Düsseldorf. Bob Dylan hat sie längst eingeholt und ist ihnen gar einen Schritt voraus und weiß immer schon vorher, in welche Richtung sie abbiegen. Vermutlich steht er zu Beginn des Konzertes wieder mit seiner Gitarre vorn in der Bühnenmitte, um seiner Band den Weg zu weisen.

Es ist nicht „Good Golly, Miss Molly“, das an diesem Abend eröffnet, auch wenn man es zunächst denkt. „Cats in the well, the world is looking down“, bellt der Sänger. In der Mitte des Mixes hört man eine Gitarre unnachahmlich auf drei Noten herumdieseln und wenig später in die „long lonesome road“ von „Don’t Think Twice, It’s All Right“ einbiegen, dann den Fluss von „Watching The River Flow“ entlang. Die Band läuft wie geschmiert, Lead-Gitarrist Denny Freeman dudelt wie eine alte Country-Station und dreht „It’s Alright, Ma“ wie einen Kreisel vor sich her, während sein Chef die Textlawinen rezitiert, als sei dies ein Poetry Slam. Die Stimme bleibt – wie auf „Modern Times“ – unter Kontrolle. Gaaanz tief unten beginnt Dylan „Just Like A Woman“: „Nobody feels any pain“ – um dann bei „what’s worse is this PAIN in here“ ganz oben zu landen. Eine Schönheit, die man diesem alten Knochen (dem Lied, nicht dem Sänger) gar nicht mehr zugetraut hätte.

Danach wechselt Dylan an seine Kinderorgel, die von seinen Musikern elegant umspielt wird. Vor allem von Donnie Herron an der Mandoline. Der schaut genau, was der organ grinder orgelt, nimmt die Motive auf und reicht sie weiter. Es geht ins Mississippi-Delta zu „The Levee’s Gonna Break“, und nach „High Water“ und wieder zurück in die Sixties: „I Don’t Believe You (She Acts Like We Never Have Met)“. Dylan zuckelt, als hätte er einen Schwarm Bienen in der Hose, beschwört dann lieblich den „Spirit On The Water“ und biegt auf die „Desolation Row“ ein. Im letzten Jahr wurde der Song nur noch von Dylans Orgel zusammengehalten, nun hat die Band ihn prachtvoll wieder aufgebaut. Nachdem sie über den etwas ruckeligen „Highway 61“ gehoppelt ist, kommt die Musik in „Nettie Moore“ fast zum Stehen. Erhabene Momente sind das, wenn Dylan von Herrons Violine begleitet aus der monologischen Strophe in den alten Folksong-Refrain wechselt: „The world has gone black before my eyes“. Das Publikum lauscht ergriffen.

Nach der Kunst folgt die Party: „Summer Days (And Summer Nights)“, ein federndes „Like A Rolling Stone“ und als Zugabe Thunder On The Mountain“ als leichtfüßiger Shuffle und „All Along The Watchtower“ als letztes Gericht – „Wusste gar nicht, dass das von dem ist“, sagt einer neben mir, als das Licht nach zehn Minuten Dauerjubel wieder angeht. Auch am 1928. Abend dieser Tour kann man noch was dazulernen.

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