Bonos Elvis-Faszination zieht sich wie ein roter Faden durch die U2-Geschichte: Tribute-Songs, Sun Studio-Sessions und Glitterlook à la King

Nun gut, es hat ein paar Jahre gedauert, bis der Geist Elvis Presleys auch jene Band überkam, die Anfang der Achtziger noch angetreten war, dem King des Rock’n’Roll mit ihrem unkonventionellen Gitarren-Sound in den Arsch zu treten. Doch als U2-Sänger Bono ’84 nach einem kurzen Studium der amerikanischen Rock-History plötzlich der Meinung war, Elvis mit einem Song huldigen zu müssen, blamierte er sich bei der Kritik bis auf die Knochen. Aber das hat die Iren in ihrer Verehrung für den Größten der Pop-Kultur nicht beirren können.

Aber der Reihe nach. Das fragmentarische „Elvis And America“ auf „The Unforgettable Fräe“ war im August ’84 selbst von einem glühenden U2-Fan wie Neu McCormkk, Redakteur der irischen Musikzeitung „Hot Press“, in der Luft zerrissen worden. Andere maulten gar, Bono habe mit diesem halbgaren Werk den King eher entthront Und der ROLLBSG STONE-Kritiker Dave Marsh polterte, er hätte nach Hören des Songs am liebsten seinen Plattenspieler zertrümmert. Vfonach er – etwas voreilig – die ganze Platte für Mist erklärte.

„Ich mag wütende Kritiker“, sagte Bono später, „und als ich Marsh sechs Monate danach traf, sagte er mir, er habe ‚The Unforgettable Fire‘ jeden Tag gehört – jedoch nur, weil seine 16jährige Tochter das Album andauernd spielte. Und die hatte ihm obendrein noch erklärt, daß für sie ‚Elvis And America‘ ein guter Song sei.“

Was Marshs Tochter an dem Song gefiel, wird man wohl kaum erfahren. Trotzdem ist „Elvis And America“ auch mit den Jahren nicht besser geworden. Es bleibt ein verwirrendes Lied, dessen Titel mehr verspricht, als der Song hält. Aufgenommen in knapp fünf Minuten, ist es eher ein „work in progress“-Dokument, das nur dank Produzent Enos Einfluß in dieser Rohversion aufs Album gelangte. Aber trotz all der Häme hat Bono den Song immer verteidigt.

„Das Lied war auch eine Attacke gegen Albert Goldman, der in seiner Elvis-Biographie versucht hatte, den King als klassischen Rock’n’Roll-Idioten niederzumachen“, sagt Bono, „dabei war die Art, wie Elvis sang, das Mikro hielt und sich bewegte, genial. And no one told him – nur darüber habe ich in dem Song gesungen. Es ist aber auch ein Lied über seinen späteren Absturz, als er auf der Bühne stand, die Songtexte vergessen hatte und nur noch irgendwas murmelte.“

Wie dem auch sei: „Elvis And America“ war der verkorkste Beginn einer langen Seelen-Verwandschaft, die bis heute alle stilistischen Kapriolen der Iren überstanden hat Auch in denjahren danach war Elvis – mehr noch als Bob Marley, Lou Reed, Jim Morrison und viele andere der von Bono verehrten Heroen – ein Fixpunkt der sich permanent ändernden Standortbestimmungen der Band. Egal, ob man ’89 den traditionellen Rock entdeckte oder in den Neunzigern den HipHop erforschte.

„Für mich ist Elvis ein Symbol für alles Gute und Schlechte an Amerika. Elvis brachte die schwarze und die weiße Kultur zusammen – nur dadurch konnte der Rock’n’Roll eine derartige Kraft entfalten“, schwärmt Bono.

Es war die Kombination von amerikanischem Traum und Alptraum, die Bono an Presleys Vita so faszinierte – die Story eines Truck-Drivers from nowhere, der der King des Rock’n’Roll wurde und zu guter Letzt als verfetteter Entertainer die Bühne und das Diesseits verließ. Befragt, welche Platte sein Leben veränderte, nannte Bono ’95 dem „Q“-Magazin ohne zu Zögern „The All Time Greatest Hits“ von Elvis Presley.

Mitunter aber wirkte die Heldenverehrung der Iren mehr als peinlich. Etwa die Szene des „Rattle and Hum“-Films, als sie bei ihrem Graceland-Besuch dann am Grab von Elvis landen. Davor sieht man plötzlich Larry Müllen stehen, der schnieft: „Nein wirklich, man hätte ihn nicht hier hinten beerdigen dürfen.“ Weniger sentimental, aber weitaus produktiver war 1989 die kurze Session in den Sun Studios in Memphis. Dieses betagte Gemäuer, in dem der Rock n’Roll geboren wurde, war für die Iren der Ort für ihre Reise zurück in die Zukunft Mit Cowboy Jack Qement am Pult, der schon bei Presleys frühen Aufnahmen dabei war, spielten sie in nur fünf Stunden fünf Songs ein – Klassiker wie „Love Rescue Me“, „When Love Comes To Town“, „Angel Of Harlem“ und „She’s A Mystery To Me“, den sie für Roy Orbison geschrieben hatten.

Bono durfte eines der alten Mikros benutzen, in das der Sage nach der King schon sein Jrieartbreak Hotel“ geschmachtet hatte. „Ich wünschte, ich könnte so singen wie er“, soll Bono anschließend geseufzt haben.

Der King blieb, egal welches musikalische Überraschungsei man gerade ausbrütete, immer role model für Bonos diverse Häutungen: Im goldenen Glitteranzug gab der einst so bierernste Sänger live nun den dekadenten Show-Lackaffen. Ein Auftritt wie aus Presleys Las Vegas-Phase, Später aber führte Bono den Fans noch einen anderen, empfindsamen Elvis vor. Dann stand er da, die akustische Klampfe vorm Bauch und sang ein ergreifendes „Can’t Help Falling In Love“. Diese Hommage ist spater, bereichert durch Originaltöne einer Elvis-Pressekonferenz, auf einer Single und dem „Honeymoon in Las Vegas“-Soundtrack erschienen.

Bonos radikalste Auseinandersetzung mit Elvis sollte zwei Jahre später folgen, als U2, Brian Eno und der HipHop-DJ Howie B. sich an SoundExperimenten versuchten, die Stockhausen vielleicht gefallen hätten, aber U2-Fans eher verschreckten. Selbst in dem Sammelsurium dieser Noise-Klänge zollte man dem King mit den gerappten Versen von „Elvis Ate America“ Tribut. Zu hören war die Kurzform eines ellenlangen Beat-Gedichts, das Bono zuvor unter dem kryptischen Titel „Elvis: American David“ veröffentlicht hatte.

Das Poem schildert Aufstieg und Falldes Rock’n’Rollers. Mal lästert Bono: „Elvis the white nigger, ate at burger king and just kept gettingbigger“, wenig später ist er wieder voller Bewunderung: „Elvis was macho but could sing like a girl, Elvis turned Las Vegas into a church when he sang ,Love me tender‘.“

Bono nennt das „eine Mischung aus Ferlinghetti, Kerouac und Ginsberg“, was etwas zu dick aufgetragen ist. Vielleicht gelingt dem Fan aus Dublin aber mal ein definitives Statement wie: „Elvis is alive, and we’re all dead.“ Was Dave Marsh versöhnlich stimmen dürfte.

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