Brian Wilson: Die Anti-Mode-Ikone

Vom Surf-Pilzkopf zum Studio-Maniac. Er hat den Style einer Ära mitgeprägt, doch interessiert hat es ihn nie

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Ganz am Anfang, für einige Monate im Jahr 1961, nannten sich die Beach Boys noch The Pendletones. Benannt nach der Kleidungsfirma „Pendleton“ aus Oregon, die gemusterte Surfer-Hemden aus Baumwolle herstellte. Nach heutigen Maßstäben also eine Kultmarke, die perfekt zum L.A.-Look der frühen Sixties passte. Zuvor hatte bereits die Teenie-Filmreihe „Gidget“ Beach Girls, Hot Rods und wuchtige Surfboards aus Holz zu einem knallbunten Strand-Utopia vermengt. Der kitschige Auftakt des „Endless Summer“.

Ein Foto mit Surfboard aus jener Frühphase zeigt die Wilson-Brüder, Cousin Mike Love und Al Jardine in jenem Pendleton-Outfit ihrer ersten Hits „Surfin‘ Safari“ oder „409“ (der aufgemotzte Motor eines Chevrolet Impala). Mittlerweile in Beach Boys umfirmiert, wurden die Band zu „Low Key Style Gods“. Ami-Jungs von der Westcoast, die in nur wenigen Jahren auf ihre eigene Art „High Key“-stilprägend werden sollten.

Die Teenagerband ließ sich noch bereitwillig in schlechtsitzende Showanzüge stecken. Was sie als notwendiges Übel betrachteten, um sich in der Welt der Erwachsenen durchzusetzen. Mode im Sinne von Expression oder Selbstverwirklichung interessierte sie nicht.

Ein Nerd, der zum König der Anti-Styler wurde

Das sieht man auf ihren privaten Fotos, die aus heutigem Blickwinkel der Kategorie „normcore“ alle Ehre machen würden. Sie wollten ihre Musik machen. Gerade Mastermind Brian Wilson kultivierte jenseits der Surfer-Inszenierung sein schrulliges Erscheinungsbild. Ein Nerd, der zum König der Anti-Styler wurde.

Die Beach Boys spielten live und im TV in breit gestreiften Hemden, die in Chino-Hosen gesteckt werden. Stets kurzärmelig, mit ein paar offenen Knöpfen. Noch gesund und proper aussehend, trug Brian Wilson dazu seine kecke, Mod-artige Tolle. Mit nur wenigen Updates würde diese Uniform in der Retro-seligen Welt von Instagram und Co ziemlich cool aussehen.

Im Jahrfünft bis 1966, bis zum bahnbrechenden Album „Pet Sounds“, wurde nicht nur der Sound komplexer. Die Beach Boys hatten den Strand vorerst hinter sich gelassen. Die im Zoo von San Diego geschossene Coversession des Albums brachte einige bemerkenswerte Outtakes mit sich. Vor eine Giraffe posierend sieht Carl Wilson aus wie ein Außendienstler einer IT-Firma. Der Rest der Band könnte ein Ermittler-Team aus einem TV-Krimi jener Zeit sein. Dennis Wilson in Barkeeper-Weste und Cowboy-Stiefeln. Auf dem Cover fügt sich das zu einer Fusion zwischen Beat und Früh-Psychedilia, wie sie auch die San-Francisco-Kollegen von Beau Brummels pflegten.

Es war wiederum Brian Wilson, der in seiner blauschwarzen Peacoat-Seemannsjacke mit doppelter Knopfleiste seine ganz eigene Note in dieses bizarre Vielerlei bringt. Die Frisur mittlerweile zum Helm aufgetürmt, gibt er lässig den Kapitän. Ein schnell erwachsen gewordenes Genie, der hinter seiner Mischpult-Brücke im Studio das Beach-Boys-Kommando führt.

Dieser Moment der Souveränität sollte schon bald, mit den gescheiterten Aufnahmen zu „Smile“ im Sommer 1967 ins Rutschen kommen. Die ikonischen Bilder von Brian Wilson mit dem Kinderfeuerwehr-Helm stehen für den Beginn seiner kreativen und mentalen Rumpelstrecke. Ein Zeitdokument einer durchgeschepperten Phase, welche die inneren Dämonen des stilvollen Nerds entfesselten. Sein Erscheinungsbild rutschte dazu, wie auch bei den restlichen Beach Boys, in die bärtige Zotteligkeit der Siebziger Jahre …

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