Bruce, Schweiß & Tränen

Mit seiner 16-köpfingenn "Seeger Sessions Band" zelebriert Folk-Adept Springsteen die Lust am gemeinsamen Musizieren - und am Leben überhaupt

Festhalle, Frankfurt. „Wir werden heute viel Spaß haben. That’s all I know“, sagt Bruce Springsteen zur Begrüßung, und das stimmt in zweierlei Hinsicht: Mehr Deutsch kann er nicht, aber von Spaß versteht er eine Menge. Nur ein Konzert gibt er hierzulande mit seiner 16köpfigen Seeger Sessions Band, 8000 Zuschauer sind dabei. Und wie sie dabei sind.

Bei den ersten Tönen von „Old Dan Tucker“ stehen fast alle, klatschen, verfolgen gebannt jede Bewegung. Und singen all die Folksongs mit, die Springsteen ausgegraben und sich so zu eigen gemacht hat, dass man das halbe Dutzend eigene Stücke dazwischen gar nicht als Fremdkörper empfindet. Im Gegenteil: Bei „Cadillac Ranch“ dauert es bis zum Chorus, bis die Masse mit einem lauten „Wow!“ registriert, was da gespielt wird. Der Hund! „Eyes On The Prize“ fängt Springsteen allein an, dann setzt Soozie Tyrell ganz wunderbar mit ihrer Violine ein, danach hat Marty Rifkins Pedal Steel Guitar einen großen Auftritt, schließlich schiebt er Banjo-Wuschel Greg Leisz nach vorne. Der Mann, den sie „Boss“ nennen, lenkt die Aufmerksamkeit immer wieder von sich selbst ab. Es sind die Geschichten, die im Mittelpunkt stehen, vor allem aber die Lust am gemeinsamen Musizieren. „How Can A Poor Man Stand Such Times And Live?“ singt Springsteen für New Orleans, er erzählt an diesem Abend viel von den zerstörten Leben nach Hurrikan Katrina. Spielfreude und Tragik, Energie und Elend vermischen sich so, dass man bei „We Shall Overcome“ nicht recht weiß: Ist das Schweiß oder sind es Tränen?

„Johnny 99“ geht nach dem schwungvollen „O Mary Don’t You Weep“ fast unter, „Open All Night“ wird gefolgt vom drängenden „Pay Me My Money Down“, das den Abgang vorbereitet. Bruce legt schon mal die Füße aufs Klavier und gönnt sich ein Schlückchen, dann jagt er den Schlagzeuger von der Bühne. Natürlich kehren sie zurück, für „City Of Ruins“, „Ramrod“ und „You Can Look (But You Better Not Touch)“. „You came very prepared!“ ruft Springsteen dem Publikum anerkennend zu und bezeichnet den Abend als „love fest“. Dann gibt er zusammen mit Marc Thompson „When The Saints Go Marching In“. Hätten Sie mich vorher gefragt, hätte ich die Augen verdreht und an den Musikunterricht in der Grundschule gedacht. Aber hier klingt das Stück plötzlich wieder lebendig, die beiden Männer werfen sich in jedes Wort, das Publikum sieht ganz beseelt aus. Als die Zeilen „Some say this world of trouble/ Is the only one we need/ But Im waiting for that morning/ When the new world is revealed“ noch nachklingen und viele den Tränen nahe sind – da schlurft Wolfgang Niedecken heran und singt bei „Buffalo Gals“ mit, obwohl er den Text nicht so genau kennt. So kommt man doch trockenen Auges nach Hause.

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