Chirs Shaw – art worker

Seit der RS-Ausgabe 12/2000 ist Chris Shaw der Künstler, der die „New Voices“-Cover (u.) auch optisch zu Leckerbissen und Sammlerstücken macht. Er tritt damit die Nachfolge des Teams von Firehouse an, das insgesamt neun „New Voices“-Cover gestaltete. Doch stilistisch arbeitet Shaw, der für fast alle US-Top-Bands tätig war, ganz anders als seine befreundeten Kollegen. Was damit zu erklären ist, dass er mit einer anderen Technik zu Werke geht. Shaw liebt Leinwände; Rechner spielen zweite Geige.

Plötzlich machte es Rumms, und die Hälfte der Brücke war weg“, erzählt Chris Shaw über das Desaster, das ihn wohl ganz besonders getroffen haben muss, als im Spätherbst ’89 bei einem Erdbeben große Teile der Bay Bridge, die San Francisco mit Oakland verbindet, innerhalb von Sekunden zusammenkrachten. , Jch konnte für ein paar Tage lang nicht rüber nach Frisco um zu arbeiten, denn die Betonplatten der Oakland-Abfahrtsrampe waren bis auf wenige Meter vor meine Haustür geschleudert worden.“

Nicht arbeiten zu können – eine Horrorvision für Chris Shaw, denn der Mann ist ein Workaholic. Er entwirft CD-Cover und Konzert-Poster, er malt riesige Bilder (bis zu 4 x 5 Meter) in Leuchtfarben, die ihre darstellerische Kraft erst dann voll entfalten, wenn sie per Schwarzlicht illuminiert werden, und er designed die Bühnenhintergründe für Festivals jedweder Größenordnung. So war er der künstlerische Leiter der von den Beastie Boys ins Leben gerufenen „Tibetan Freedom Concerts“, wo vom Bühnenaufbau bis hin zum back drop alles die ganz persönliche Handschrift von Chris Shaw trug. Selbst der Dalai Lama soll vom Artwork begeistert gewesen sein.

„Ich habe schon vor meinem Kunststudium gemalt“, verrät Shaw. „Ich bin in Boston aufgewachsen, und damals war ich der Typ in der Klasse, der nie zugehört, sondern permanent Figürchen auf ein Blatt Papier gekritzelt hat. In den frühen Achtzigern – ich glaube, ich war gerade erst 13 – hab ich meinen ersten richtigen Job gekriegt: Ich durfte einen Flyer für eine Punkband entwerfen. Natürlich war ich damals, so wie all die anderen jungen Poster- und Flyer-Designer, stark von den Underground Comics der San Francisco-Szene beeinflusst. Gilbert Shelton, Spain Rodriguez oder S. Clay Wilson waren die großen Vorbilder. Aber auch Poster haben mich fasziniert, speziell die Sachen von Rick Griffin oder die deutschen Bauhaus-Plakate.“

Ende der Achtziger hielt es Shaw nicht länger im kühlen Boston. Ihn zog es ins gelobte Land seiner Heroen: Kalifornien.

Ich hab mich in Oakland am California College Of Arts And Crafts eingeschrieben, wo ich Ron Donovan (ein Teil des Firehouse Duos) traf und mich mit ihm anfreundete. Aber was man am College als Graphic Design anbot, hat mich nicht im geringsten überzeugt. Ergo hab ich schnell auf Drucker

umgesattelt und in diesem Fach sogar meinen Abschluss gemacht. Ich hatte da einen wunderbaten Lehren einen mexikanischen Künstler namens Montoja, der mir noch Lithografie und Kupferstich beigebracht hat. bn ihm habe ich auch gelernt, wie toll es sein kann, mit anderen Künstlern zusammenzuarbeiten, und so sind z. B. einige Plattenhüllen eine Gemeinschaftsarbeit von Ron und mir. Insofern war die Zeit am College also doch nicht ganz vertan.“

Parallel dazu hatte Shaw sich bereits an die Gestaltung großformatiger Poster gewagt, die alle die konservative Politik der Reagan/Bush-Administrationen anprangerten und die heute als Dokumente politischer Veränderung gefragte Sammlerstücke sind. Prompt wurden Band-Manager und Konzertveranstalter auf den jungen Wilden aufmerksam, und schon schneiten ihm die Aufträge massenhaft ins Haus. Zu seinen Kunden zählten bis dato u. a. Pearl Jam, Kiss, Joe Strummer, Hole und Cypress Hill, und für das Fillmore Auditorium hat er inzwischen mehr als 35 Poster entworfen.

„Gut, die politischen Poster haben zwar eine Menge wichtiger Leute auf mich aufmerksam gemacht, aber mir und teilweise auch Ron, der an ein paar davon beteiligt war – auch eine Menge Ärger eingebracht. Doch jetzt, da wir Bush Jr. als Präsidenten vorgesetzt bekommen haben, winkt neue Arbeit und neuer Arger.-„

Ärger hat Chris Shaw gelegentlich auch mit seiner Klientel aus der Musikbranche: „Am liebsten arbeite ich mit kleineren Bands, denn die haben ja noch kein so aufgeblähtes Ego wie die Top-Acts. Die jüngeren Bands akzeptieren meine Entwürfe meist uneingeschränkt, wohingegen bei den großen Namen alle meinen, ihren Senf hinzugeben zu müssen. Das fängt manchmal beim Manager an und ist erst beim Roadie zu Ende {lacht schallend).

Am liebsten arbeite ich fürs Fillmore, denn erstens bin ich mit dem Art Director des Hauses gut befreundet, und zweitens kann mir keine der Bands in meine Arbeit dreinreden, denn Auftraggeber der Poster ist stets das Fillmore. Für mich die ideale Voraussetzung, um hemmungslos kreativ zu sein.“ Von solch einer, für jeden Künstler wohl Traumarbeitsbedingung einmal abgesehen, unterscheidet sich Shaw vom Gros seiner Kollegen auch durch seine Technik: „Wenn du dir heute Flyer oder Poster anschaust, dann siehst du als Fachmann auf Anhieb, mit welchem Mac-Programm da gearbeitet wurde. Du kennst die Schriften, denn komischerweise arbeiten fast alle mit den gleichen, und du weißt, von welchen CD-Roms die Vignetten stammen, denn diese CDs hast du ja auch.

Aber da mir das schon sehr früh aufgegangen ist, gehe ich grundsätzlich anders zu Werke: Ich male meine Motive! Mit dem Pinsel auf die Leinwand. Und wenn mir danach ist, dann bearbeite ich das Werk auch mal auf meinem Rechner. That’s the difference…

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates