Collections von Cunningham, Jonze und Gondry

Der für den internen Gebrauch bestimmte Arbeitstitel dieser dritten Special-Sektion war „Gemischtwaren“, obwohl die hier vorgestellten DVDs bei genauem Hinschauen gar keine Mischungen sind: Produkte sollen im Plattenladen ja idealerweise unter dem Namen eines einzelnen Künstlers eingeordnet sein, und solange DVDs nur die Zweitverwertung von bereits bekanntem Film- und Videomaterial sind oder – im Fall von Live-Dokumentationen – Tour-Souvenirs für Fans, ergibt das auch Sinn. Die Ausnahmen (Genre-Compilations wie „Best Of Kuschelrock“, pseudo-historische Sampler wie die unendlich vielen Eighties-DVDs) fehlen in unserer Liste, weil die meistens billig und beliebig zusammengestellten Editionen keinen Sammlerwert haben. Für die kürzlich von der Firma Labels/EMI in Deutschland veröffentlichte Drei-DVD-Reihe „The Work Of…“ gilt der Einwand nicht. Anstatt Video-Clips dem Künstler zuzuschlagen, der die Musik gemacht hat, stehen hier die Regisseure im Mittelpunkt.

Wie die Beastie Boys in „Sabotage“ als schnauzbärtige Krimi-Cops durch die Stadt eilten: ein klassisches Video, das den Song nicht zum Hit machte, aber noch heute außer Konkurrenz in Rotationen eingeschoben wird. Kunst. „It’s Oh So Quiet“, das Straßenballett mit Björk und vielen bunten Regenschirmen, Weezers „Buddy Holly“ an einem Filmset, das nostalgisch der TV-Serie „Happy Days“ nachempfunden war. Alle drei gedreht von Spike Jonze, dem 34-jährigen Skater aus Los Angeles, der seine Spielfilme „Being John Malkovich“ und „Adaptation“ machen konnte, weil man als Clip-Regisseur viel Publizität hat und im besten Fall richtig ernst genommen wird. Mit seinen zwei nicht ganz so prominenten Kollegen Chris Cunningham (Brite) und Michel Gondry (Franzose) hat Jonze nun sogar ein eigenes DVD-Label gegründet, wo neben den vorliegenden Werk-Auswahl-Anthologien sicher bald weniger kommerzielle Filme erscheinen werden.

Schon bei den bekannten Musik-Clips der drei (naturgemäß Auftragsarbeiten) fällt ja auf, dass sie genau das völlig missachten, was seit vielen Jahren als die sprichwörtliche MTV-Ästhetik gilt: schnelle Schnitte synchron oder quer zum Beat des Songs, verwischte Einstellungen, die sich wie Einzelteile eines kubistischen Gemäldes erst in der Gesamtschau zu einem Bild zusammensetzen. Michel Gondrys Kamera dagegen steht oft völlig still – im neuen White Stripes-Video „The Hardest Button To Button“ zum Beispiel, wo Meg White wie in einem Puppentrickfilm mitsamt dem Schlagzeug die Treppe herunterkommt und die Verstärkertürme sich von selbst auf- und wieder abbauen. Oder „Army Of Me“, in dessen absurder Spielhandlung ein Gorilla-Zahnarzt Björk einen großen Diamanten aus dem Mund fischt. Auch Chris Cunningham hat für die berüchtigt kunstbeflissene Björk gearbeitet, hat „All Is Full Of Love“ mit küssenden Roboter-Dummies inszeniert. Am bekanntesten sind seine Aphex Twin-Clips mit Masken und Mutierten, die in Auflistungen immer gern genannt werden, wenn jemand demonstrativ jenseits des vermuteten Video-Massengeschmacks Stellung beziehen will.

Die DVD-Ausgaben enthalten neben den Pop-Clips jeweils auch Kurzfilme, experimentelle Spielereien, bei Cunningham sogar Werbespots. Eine kleine Erinnerung daran, dass es ohne Underground-Filmszene letztendlich gar keine Musikvideos geben würde. Das Besondere an der Generation Cunningham-Jonze-Gondry ist allerdings, dass sie von früher Jugend an selbst schon MTV und den Videos der Regisseur-Ahnen ausgesetzt waren. Man kann ihre eigenen Werke als konsequentes Weiterdenken sehen – oder als radikale Abkehr, klingt besser.

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