Damit sie als Band noch funktionieren, brauchen The Cardigans heute raffinierte Formen der Selbst-Therapie: Pausen, Ortswechsel, Flaschenwein

Ein launiges Reisetagebuch, minutiös vom Bassisten geführt, sorgte für Auskunft: Beim Besuch eines gemeinsamen Freundes in Los Angeles hatten die Cardigans gleich mehrere Fässer aufgemacht, sich ausgesprochen und beschlossen, dem eminent erfolgreichen „Gran Turismo“-Album endlich etwas Gleichwertiges folgen zu lassen. Weil nach mehreren Wochen am selben Ort Misslaunigkeit und Langeweile Einzug halten, nahm man abwechselnd in Spanien, England, Dänemark und Schweden auf und beschränkte sich dabei zudem auf einen Zeitraum, der Mühsal und zwischenmenschliche Händel gar nicht erst aufkommen ließ.

Und weil das so reibungslos geklappt hat. sitzt man nun in einem Hotel beisammen und starrt leicht verwirrt auf eine zu Promotionzwecken genutzte Kassette, die „New Arrival“ als neuen LP-Titel führt, was nach Celine Dion klingt und demzufolge auch ein Missverständnis ist. „Long Gone Before Daylight“ heißt es richtig, und unterhaltsamere Fehldeutungen gab es bereits während des Aufnahmeprozesses.

„Die meisten Leute, denen wir den Song ‚A Good Horse‘ vorspielten“, so Reiseführer Magnus Sveningsson grinsend, „verstanden immer nur die Textzeile „I found myself a good whore“, was ziemlich belustigend war – ich hoffe, dass das nur daran lag, dass der Mix noch nicht fertig war“. Jetzt klingt der Song nach einer Hommage an Tom Petty und Neil Young & Crazy Horse, während die Single „For What It’s Worth“ durchaus als Wink an Buffalo Springfield zu verstehen ist. Das hat bislang nur kaum jemand gemerkt, und die Band ist etwas enttäuscht darüber. Und froh, dass außer den Japanern niemand mehr nach Easy Listening fragt.

Mit den sehr ausgereiften Stücken auf „Long Gone Before Daylight“ ist man kollektiv zufrieden. Sängerin Nina Persson, deren pechschwarze Haare noch immer etwas irritieren, führt den wieder gewonnenen Zusammenhalt innerhalb des Quintetts auch auf ihr nur mäßig honoriertes Solo-Projekt A Camp zurück: „Dadurch, dass ich eine Zeitlang meine eigene Sache gemacht habe, kann ich die Cardigans nun unter ganz neuen Gesichtspunkten betrachten. Wir haben ja wirklich darüber nachgedacht, die Band ganz aufzulösen.

Doch dann dachte ich mir: Eigentlich sind wir viel zu gut, um die ganze Sache so mir nichts, dir nichts zu beenden.“ So schrieb Persson diesmal über gestörte Kommunikation und schleichende Entfremdung. Einfach war das nicht immer, wie die Arbeit an „No Sleep“, dem Schlusspunkt der Platte, beweisen sollte: „Zu dieser Zeit war ich mit all meinen Texten aus irgendeinem Grund unzufrieden und fragte mich, warum ich nicht wie Alanis Morissette einfach aus dem Moment heraus inspiriert werden und unreflektiert über meine Gefühle schreiben konnte. Ich konnte nicht schlafen, machte mir eine Flasche Wein auf und schrieb die lyrics zu ‚No Sleep‘ praktisch betrunken.“ Die gute Nachricht: Alkohol kann doch eine Lösung sein.

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