Das Vermächtnis

„Genieße die aufschlussreichen neuen Extras“, dröhnt es auf dem DVD-Schuber, als handelte es sich um die Tortellini in Käse-Sahne-Sauce von Joey’s Pizza-Service. In einer Dokumentation kann man beobachten, wie kraft einer wundersamen Emulsion die beiden frühen Filme aufpoliert wurden. Und ja, man sieht es! In einem anderen, nicht neuen Filmchen wird Kameramann Gordon Willis zu den Gold- und Messing-Farben befragt, die schon den ersten „Paten“ unvergesslich illuminierten. Willis wurde damals für spektakuläre Unterbelichtungen gescholten. „Manchmal habe ich es übertrieben“, so Willis. „Aber auch Rembrandt hat manchmal übertrieben.“ Nur eine einzige Szene, Michaels Zwiegespräch mit der Mutter im zweiten Teil, sei zu dunkel geraten. Willis hat sich die Unbescheidenheit verdient: Nicht einmal die Beleuchtung der DeNiro-Szenen im zweiten „Paten“ brachte ihm den Oscar. Aber seit damals werden alle historischen Filme messingfarben ausgeleuchtet, so als hätte die Vergangenheit eleganter ausgesehen.Und gar für Emigranten aus Sizilien!

Wir sehen noch einmal Mario Puzo, zum dritten Teil 1989 und bei der Arbeit mit Francis Ford Coppola, 1971. Wir hören N ino Rota und dessen Walzer-Motiv, denn Coppola hatte ein Gespräch in Rom auf Kassette aufgezeichnet. Wir sehen die sehr lange Dokumentation zu „Der Pate III“, die Dreharbeiten, Coppolas Schwadronieren am Tisch der Nostalgie, AI Pacino, Andy Garcia und Joe Mantegna am Set. Das alles war der „Godfather“-Box aus dem Jahr 2000 auch schon beigegeben. Aber nun erlaubt Paramount auch Einblicke in die Probleme mit der Verfilmung-wie zunächst kein Regisseur gefunden werden konnte, weil Richard Brooks und andere absagten. Und auch Coppola akzeptierte schließlich vor allem, weil sein American Zoetrope in San Francisco das Geld brauchte. Heute behauptet er, er habe die Idee der italo-amerikanischen Familien-Saga, der Großparabel über Amerika, zur Bedingung gemacht. Wie das? denkt man, denn beinahe alles steht doch Wort für Wort in Puzos Roman. Und Coppola zeigt, wie zum Beweis, sein dickleibiges Arbeitsbuch, in dem er alle Notizen schön fest eingeheftet hatte, mit Nachricht an einen möglichen ehrlichen Finder: Bitte an Francis Ford Coppola, Hollywood, zurückschicken!

Was der Roman allenfalls andeutet: wie Marion Brando bei der Hochzeitsfeier mit Talia Shire tanzt; wie ein Kind auf den Füßen eines Alten mitwalzert; wie die italienischen Greise singen; wie AI Pacino den Luca Brasi erklärt; wie die Kamera vom Gesicht des Leichenbestatters Bonasera in den Raum fährt und Brandos Hand in den Blick rückt; wie sich James Caan in die Hand beißt; wie Pacino und Brando schließlich im Garten sitzen beim größten kleinen Dialog der Filmgeschichte, der Sache mit dem Wein, der Vito Corleone jetzt besser schmeckt und von dem er mehr trinkt – nicht Puzo oder Coppola hatten dieses Kleinod geschrieben, sondern der Script doctor Robert Towne. Und dann die Orangenschalen am Gaumen, die Brando improvisiert haben soll, und der Enkel mit der Wasserspritze und der Tod des Don in den Tomaten.

Man sagt ja gern „Shakespeare“ in solchen Fällen, und auch die hier Befragten tun das zuweilen. Steven Spielberg glaubte, nie mehr einen Film drehen zu können, nachdem er den „Paten“ gesehen hatte. Tom Hanks imitiert sehr beiläufig und komisch Vito Corleone. Alec Baldwin ist ein wahrer Enthusiast und erinnert sich aufgeregt an Momente seiner Kindheit und die Wahrhaftigkeit, mit der im „Paten“ die Familie dargestellt wird. Unter den zusätzlichen Dokumentationen sind auch einige Spontan-Äußerungen, um die mehr oder minder Prominente und Berufene auf Roten Teppichen gebeten wurden. Ein paar Drehbuch-Autoren und Schauspieler haben auch dezidiert Meinungen und Erinnerungen, die über das Angebot, das man nicht ablehnen kann, hinausgehen. Die Zitate aus „South Park“‚, den „Simpsons“ und den „Sopranos“ sind notwendige Ergänzungen zur Rezeption und kulturgeschichtlichen Bedeutung. Der „Sopranos“ Produzent David Chase, geprägt vom Familienbild der Filme, hat die Tragödie als anspielungsreiche, sozusagen postmoderne Farce variiert. Neben Vitos Gesetz, dass ein Mann wenigstens die Freizeit mit seiner Familie verbringen müsse, illustriert Clemenzas Pasta für größere Versammlungen die familiäre italienische Folklore. Vito ermahnt seinen Sohn Santino einmal, er solle sich niemals angesichts eines Fremden gegen die Familie äußern. Später spiegelt sich diese Szene in Michaels Mahnung an den schwachsinnigen Bruder Fredo in Las Vegas.

Die „Coppola Restoration“ hat mit Coppola wenig zu tun, aber die Techniker um Richard A. Harris haben die Düsternis (Vitos Arbeitszimmer, das Bootshaus am Lake Tahoe!) ein wenig erhellt. Ein Hinter-den-Kulissen-Trailer von 1971 zeigt die bekannten Garten-Szenen muffig und grünlich, als wäre im Schimmel gedreht worden – und verschwunden ist die Magie der Musik, des Geplappers, der Familienfotos, der Vierziger-Jahre-Patina, der prächtigen und derben Ländlichkeit, die das Bukolische und Sonnenpralle der Sizilien-Passagen vorwegnimmt.

Die zusätzlichen Szenen sind zwar bekannt, aber immer wieder ist es verblüffend, wie ökonomisch diese Schnitte waren. Die Rache an dem sizilianischen Verräter Fabrizio etwa ist für die Narration nicht wichtig; dass Clemenza vor einem Mord ordentlich zu Mittag isst, entzückt nun, da man die Geschichte kennt. Das Lukullische fällt hier ja oft mit dem Mörderischen zusammen, als Vorspeise und letztes Abendmahl. Den Don erwischen die Häscher beim Kauf von Gemüse; Solozzo und der Polizei-Offizier sterben im italienischen Restaurant, und noch im dritten Teil finden -— auch erotische — Scharmützel zwischen Speisen, Messer und Küchenbrett statt.

So oft man diese Filme sieht, so wird man doch jedes Mal andere Details erkennen. Irgendwann – vielleicht aber auch nie! – wird man hinter das Geheimnis des Paten kommen.

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