David Byrne – Hamburg, Fabrik

Mit seiner vielleicht besten Formation überhaupt tanzt David Byrne euphorisierend in den Mai

Die Lichter erlöschen, doch es ward nicht wirklich dunkel. Später sollte ja noch in den Mai getanzt werden, weshalb David Byrne fest so früh auf die Bühne muss wie sonst nur „Acts“, bei denen Papa dann schon am Ausgang auf die nass geschwitzte Tochter wartet. Irritierender noch: die Tücken der Technik. Erst versteht man ihn gar nicht, dann fiept es plötzlich jenseits der Schmerzgrenze. „Das gehörte jetzt nicht zum Song“, versucht der nette Bursche von UPS einen ersten Scherz. Heute ganz in braunem Arbeitsdress, Byrne und seine Drei-Mann-Band.

So kann erst mit „Revolution“ und der „country music sung in bars…“ ein wundervolles Konzert wirklich seinen Lauf nehmen. Ich lehne mich jetzt mal weit aus dem Fenster: Dies ist das beste Ensemble, das Byrne je auf der Bühne hatte. Und ja: die große Talking Heads-Besetzung inklusive. Denn diese sechs Tosca Strings schräg hinter ihm sind ein Segen, zu Hause in Reduktion und Raffinesse, und doch jederzeit in der Lage, (poly-rhythmische Ekstasen zu befeuern, einen Charanga-Abstecher gen „Rei Momo“ inklusive. Dass Streicher so funky sein können! Da lachen die Geigerinnen. Womöglich auch mal über ihren Chef. Wie singt er so treffend in „Marching Through The Wilderness“? „They call me Mr. Pitiful, but everything is wonderful.“ Fürwahr. Und wir wissen ja längst: Er ist wirklich so. So schüchtern, so linkisch, so David. Einmal stellt er sich ganz an den linken Bühnenrand und beobachtet das Treiben, ab habe er sich in seine eigene Show verirrt Und es gibt diesen wunderbaren Moment, da schmunzelt Byrne für Sekundenbruchteile in sich hinein, als er mit seiner Gitarre ein wildes Robo-Ballett vollführt, so als habe Chuck Berrys Duck Walk einen entfernten Verwandten vom Mars bekommen.

Dann gehen die Streicher kurz, und Byrne gibt’s den Leuten. Ein ausgelassenes „Road To Nowhere“ zum Mitsingen, ein bis ins Mark konzentriertes „Once In A Lifetime“. Ja, „you may ask yourself“, aber eine Frage ist schon beantwortet: Wie beneidenswert gut diese Songs in die Jahre gekommen sind! Noch einmal – die Strings sind wieder da – nimmt Byrne das Tempo raus, singt konzentriert Verdi und Wagner (den Kurt von Lambchop). Dann gibt’s kein Halten mehr, bis „This Must Be The Place“ und ein furioses „Blind“ den Set beschließen. Ovationen, Byrne hält’s Mikro lachend für die Musiker, die sich selbst vorstellen dürfen, drei Zugaben. „Desconcido Soy“, ein rasendes „Life During Wartime“, „Heaven“ akustisch und solo, die kleine House-Orgie „Lazy“.

Dann stakst noch der unvermeidliche „Psycho Killer“ durch die Fabrik. Ein letztes Mal verdichten sich Streicher-Stakkato und Rasierklingen-Gitarre zu einer kleinen Energiewolke, von der man sich willig beregnen lässt. Schöner ist wohl niemand Richtung Mai getanzt.

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