Der Exil-Libanese Rabih Abou-Khalil kämpft für den öst- westlichen Dialog – und gegen exotische Mißverständnisse

Sauber! Da schlingert man durch den Mai-Regen in die bayrische Provinz, weil dort der beim Jazz-Publikum erfolgreichste arabische Musiker wohnt Und dann behauptet der doch glatt, er könne gar keinen Jazz spielen.

Nicht, daß Rabih Abou-Khalil falsche Töne auf seiner arabischen Laute (Oud) zupfen würde, wenn er ein Solo über „Autumn Leaves“ riskiert. Er ist Künstler genug, auf wichtige Töne zu setzen statt auf richtige: „Wenn ein Akkord käme, den ich nicht spüre, dann würde ich eine Floskel spielen, die zwar paßt, aber nichts ist, was ich wirklich sagen wollte. Das ist eine Banalitätsstufe, vor der ich immer Angst gehabt habe.“ Konsequent improvisiert Rabih nicht über die Harmoniefolgen der westlichen Musik, sondern über komplexe rhythmische Muster, die er aus Traditionen der arabischen Welt weiterentwickelt hat – artverwandt und doch vollkommen ungewohnt für seine Kollegen aus Beirut, wo Rabih lebte, bis ihn der Bürgerkrieg 1978 nach München verschlug.

Das formelhaft Sagbare in der Musik verachtend, sucht der Komponist nach dem für ihn Notwendigen – und findet es in Stücken, deren Raffinesse den Interpreten so viel abverlangt, daß das vielseitig erfahrene Kronos Quartet mit den üblichen Probenzeiten nicht zurechtkam. Die Resultate wirken dennoch nicht konstruiert, sondern so überzeugend, daß Abou-Khalil-Alben stets oben in den Jazz-Charts landen.

Für sein aktuelles Opus „Arabian Waltz“ hat der Oud-Spieler 14 Tage lang mit dem Balanescu Quartet geprobt: vier Streicher, bewährt in der Zusammenarbeit mit Popmusikern von Elvis Costello bis zu Kate Bush. „Meine Themen sind nicht unisono, auch wenn es sich oft anhört, als würden alle die gleiche Melodie spielen. Die Linien sind rhythmisch versetzt, manchmal um kleinste Einheiten, und nur deshalb fangt die Sache zu swingen an.“ Auf rund 100 000 Mark addierten sich die Kosten für die Produktion abenteuerlich viel für ein Jazz-Label. Den Erfolg, der ihm solche Eskapaden erlaubt, fuhrt Rabih darauf zurück, daß für ihn kompromißlos nur eines zählt: Qualität. „Ich schreibe ganz gezielt für so phantastische Instrumentalisten wie den Tuba-Spieler Michel Godard oder Howard Ley und seine Harmonika.“ Schon als er sich mit geliehenem Geld von Eigenproduktion zu Eigenproduktion hangelte, ließ er Cracks wie etwa Glen Velez einfliegen – bei „Weltmusik“-Produktionen nicht gerade die Regel.

„Ich kriege oft zu hören: ‚Du, auf meiner neuen CD hab ich afrikanische Trommler drauf.‘ Aha, wen denn? ‚Keine Ahnung, aber da sind diese zwei Typen aus Ghana und einer aus Nordafrika.‘ Als ob das ein Qualitätskriterium wäre! In den meisten Fällen werden einfach die Leute eingekauft, die am günstigsten vor Ort zu kriegen sind.“ Gründlich genervt ist Abou-Khalil vom Ethno-Trend, unter den auch seine Veröffentlichungen gern subsumiert werden: „Wenn man die Musik eines anderen Volkes nicht kennt, wenn man das Wichtige nicht vom Trivialen trennen kann, dann endet das oft peinlich. Als Jimmy Page mit arabischen Musikern auf Tour ging, war ich zum Konzert in München eingeladen. Noch bevor ich in die Arena reinkam, dachte ich mir: „Was für grauenhafte Bauchtanz-Lala lassen die denn da vom Band laufen?!“ Aber was ich hörte, war schon das Konzert! Dabei ist Jimmy im Grunde ein großartiger Musiker. Er hat sicher gar nicht mitgekriegt, wo das Zeug eigentlich hingehört, das er da eingesetzt hat“. Erfolgreich konnte sich Rabih wehren, wenn man seine Bands a la „vier Musiker aus fünf Ländern“ ankündigen wollte. Das wäre ihm viel zu vulgär: „Nach dem Motto: Und diesmal spielt der Libanese mit einem echten Juden zusammen. Als ginge es nicht um die Musik.“

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