Der Freak im Club Tropicana

Den „Weird Folk" hat Devendra Banhart hinter sich gelassen - nun ist er irgendwo zwischen amerikanischer Psychedelik und brasilianischer Tropicalia zu Hause.

Der 28-jährige Devendra Banhart galt lange als das Aushängeschild des „New Weird America“, einer Welt der hinterwäldlerischen Käuze und ihrer handgezupften Weisen. Doch mit seinem letzten Album „Smokey Rolls Down Thunder Canyon“ begann der Freund extravaganter Garderoben ein neues, aber mindestens ebenso exzentrisches Kapitel: Seine Musik oszilliert seitdem zwischen brasilianischem Tropicalia-Pop und amerikanischer Psychedelia, er hatte eine Liaison mit der Star-Wars-Prinzessin Natalie Portman, spielt den DJ auf Fashion-Partys, und natürlich ist auch Karl Lagerfeld ein glühender Verehrer. Der Musketier-Bartträger ist nach Hamburg gekommen, um sein neues Album „What Will We Be“ vorzustellen – mit ein paar Interviews und einem kleinen Konzert in der Hamburger Underground-Institution „Golden Pudel Club“.

Im Moment begutachtet Banhart jedoch ausführlich mein Jackett: „I like it!“, schmeichelt er und sucht ziemlich unverschämt nach einem Label. Dann endlich macht er mich mit seinem Begleiter bekannt: „Das ist mein Freund Greg“, sagt er und trippelt erst einmal zur Toilette.

Sein Freund ist Greg Rogove – der mittlerweile kurzhaarige Schlagzeuger und Sänger der Prog-Rock-Glam-Punk-Band Priestbird und Banhart-Kollaborateur beim Projekt Megapuss. Auf dem Cover des Megapuss-Albums „Surfing“ balgt er sich nackt mit dem ebenfalls hüllenlosen Banhart, eine reichlich alberne Pose. Aber da kommt ja auch schon „der Alptraum von einem Hippie“ („FAZ“) zurück: „Redet ihr über meinen Anus?“, fragt Devendra mit exaltierter Stimme und setzt sich grinsend vor uns auf den Boden. Das Spaß-Projekt ist bei den Kritikern weitgehend durchgefallen. Zu zotig waren die übertrieben witzigen Texte, zu belanglos die durchschnittlichen Songs.

Wird es von Megapuss noch ein weiteres Album geben?

Ja, aber wir ändern den Namen. Es soll in Zukunft ernsthafter zugehen, besser ausbalanciert und auch musikalisch anders. Wir wünschen uns ein Projekt, wo Greg, Fabrizio (Moretti) und ich die Sachen machen können, die zu unseren normalen Aktivitäten nicht passen.

Wir wollen über das neue Devendra-Banhart-Album reden: Wie ist der Titel „What Will We Be“ zu verstehen?

Man kann ihn auf zwei Arten lesen (er schnappt sich meinen Notizblock und schreibt „What“ und „We“ untereinander und daneben „Will“ und „Be“).

Die erste Möglichkeit ist eine Frage: „What Will We Be?“ – und die andere Möglichkeit ist die Antwort: „What We Will Be“.

Klingt, äh, interessant.

Rogove: Ein guter Freund – Mister Walt Whitman – hat das schon früher ganz vortrefflich ausgedrückt. (Greg hält plötzlich eine Goldprägedruck-Ausgabe von Whitmans „Leaves of Grass“ in der Hand und liest laut daraus vor.) „These are the thoughts of all men in all ages and lands – they are not original with me. If they are not yours as much as mine, they are nothing, or next to nothing. If they are not the riddle, and the untying of the riddle, they are nothing. If they are not just as close as they are distant, they are nothing.“ DB: Das ist Wahnsinn, oder?! In den Worten von Gregs gutem Freund Walt Whitman sollten wir beides sein: das Rätsel und die Auflösung des Rätsels!

Banhart kichert leicht irre. Er fläzt sich immer noch auf dem Boden, und aus seinen grauen Schnürstiefeln blitzen kunterbunte Ringelsocken, wie man sie auch von Pippi Langstrumpf kennt. Der abgebrochene Kunststudent, dessen Bilder auf der „Art Basel“ ebenso gezeigt werden wie im „San Francisco Museum of Modern Art“, benimmt sich wie großes, verwöhntes Kind. Er ist einerseits ungeheuer nett und sympathisch, andererseits aber auch recht anstrengend, weil er immer wieder aufs Neue stimuliert werden will.

Das Album entstand in Bolinas, einem überwiegend von Hippies und Bohemiens bevölkerten kleinen Nest in Nord-Kalifornien. War das so idyllisch, wie es klingt?

Ja, wir hatten ein altes Holzhaus von der Fläche dieses Raums (ca. 50 qm). Paul Butler hat produziert, Noah Georgeson war dabei und überhaupt alle Musiker, die beim „Smokey „-Album mitgemacht haben. Wir hatten nur ein einziges großes Zimmer, eine Küche und ein Bad. Im Wohnzimmer standen das Schlagzeug und die Instrumente, die Küche war der Kontrollraum, und im Badezimmer wurde der Gesang aufgenommen. Wir haben all unsere Freunde eingeladen, doch weil das Haus so abgelegen war, ist niemand gekommen.

Warum seid ihr überhaupt dorthin gegangen?

Spielkameraden: Banhart (u.l.) mit seiner Band, zu der auch Greg Rogove (o. l.) gehört, der mit Devendra Banhart auch Teil das Fun-Projekts Megapuss bildet (u.).

Inklusivität ist für uns eine sehr wichtige Sache. Doch bei „Smokey Rolls Down Thunder Canyon“ war es einfach zuviel: Da sind alle gekommen, und das hat uns dann doch zu sehr abgelenkt. Deshalb wollten wir einen Ort, der von Los Angeles weiter entfernt liegt und an dem wir noch nie waren. Außerdem hat Richard Brautigan dort gearbeitet.

Ein Lieblingsautor?

Ja, einer meiner Top-5-Leute, ich hatte lange Zeit ein Foto von ihm an der Wand hängen.

Welches seiner Bücher gefällt dir am besten?

„In Wassermelonen Zucker“, „Forellenfischen in Amerika“, „The Pill Versus The Spring Hill Mine Disaster“, „Ein Konföderierter General aus Big Sur“…

Um noch einmal auf das Ein-Zimmer-Holzhäuschen in Bolinas zurückzukommen: Ihr habt dort nur aufgenommen, oder?

Nein, nein, wir schliefen auch dort im gleichen Raum, in dem das Schlagzeug stand.

Klingt nach einer harten Zeit…?

Es war eng. Wir kennen uns alle schon lange, doch keine Privatsphäre zu haben, war eine große Herausforderung. Um mal etwas Abstand von den anderen zu bekommen, konnte man nur spazieren gehen.

Warum benutzt du für deine Songs so viele unterschiedliche Stile und Genres?

Warum sollte ich mich auf einen bestimmten Typ von Musik festlegen? Man geht ja auch nicht in einer einzigen Stimmung durch den Tag. Es ist ein Prisma der Emotionen, das ich mit Klängen beschreibe. Außerdem mag ich Bluebeat, Ska, Samba, Funk, R&B, Folk, Minimal Piano Music, Komponisten des 21. Jahrhunderts und auch elektronische Musik.

(Ein Blick auf Devendras iTunes-Playlist – sein Apple Notebook liegt direkt neben mir – zeigt in der Tat eine muntere Mischung: Guns N‘ Roses, Field-Recordings aus Haiti und Chansons von Henri Salvador stehen neben hippen Newcomern wie Hecuba.)

„l6th & Valencia Roxy Music“ trägt die Quelle der Inspiration bereits im Namen, oder?

Ich mag diesen Song nicht besonders. Trotzdem beschreibt er treffend das Gefühl, dass in dieser Nacht etwas passieren wird. Doch dann endet die Nacht, und all die Sehnsüchte und Hoffnungen bleiben unerfüllt. I6th & Valencia ist eine Kreuzung in San Francisco. Dort findet man alles: Prostituierte, Drogendealer und eine Menge Clubs. Als ich an dieser Kreuzung war, hörte ich „Love Is The Drug“, und ich fühlte mich dabei so verloren wie ein Eskimo in Kathmandu – das war die Idee des Songs.

Zwei Stunden später platzt der Golden Pudel Club aus allen Nähten. Banhart und Rogove sind schnell noch mit ein paar Fans hinterm Haus verschwunden, die dicken Rauchwolken, die nach vorne wehen, sprechen eine deutliche Sprache. An dieser Stelle muss man schnell noch etwas klarstellen: Devendra, der seinen Namen von einem indischen Mystiker verliehen bekam, dieser Träger buntester T-Shirts und üppigster Ketten, möchte auf gar keinen Fall als Hippie bezeichnet werden. „Ich spiele nicht Hacky Sack, ich habe keine Dreadlocks, und ich gehe auch nicht zu Ben-Harper-Konzerten.“

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