Der Geist am Klavier

Die Moderatorin, Autorin und Schauspielerin Caro Korneli hatte lange Zeit ein verqueres Verhältnis zum Jazz. Foto von Nicolas Kantor

Wie man vielleicht sieht, handelt es sich bei dieser Platte um eine Amiga-Pressung. Denn als noch Osten war, haben wir das gehört, was wir kriegen konnten: Amiga-Pressungen. Wir hatten „Breakfast In America“ von Supertramp, irgendwas Ekliges von Zupfgeigenhansel, „Auf dem Weg zu dir“ von Herman van Veen und eben Keith Jarrett, „The Köln Concert“. 32 stolze Ostmark hat die Scheibe damals gekostet, aber die hat ja auch vier Seiten.

Diese Platte stand jahrelang in unserem Wohnzimmer. Wie man sieht, zeigt das Cover eigentlich Keith Jarrett, der sich gegen ein Klavier lehnt. Und in der Mitte zwischen ihm und dem Klavier entsteht ein weißer Zwischenraum, der aber, wenn man die Platte falsch herum hinstellt, wie ein Geist aussieht.

Nun stand die Platte jahrelang verkehrt herum im Wohnzimmer meiner Eltern, und ich habe immer nur diesen Geist gesehen. Erst als ich 14 Jahre alt war, fiel mir auf: Alter, da lehnt sich ein Typ gegen ein Klavier, und das dazwischen ist nur der Zwischenraum, das ist gar nicht das Bild! Das war allerdings ein schockierender Moment für mich. Da dachte ich, wie kann man jahrelang an was vorbeilaufen und das Falsche sehen?

Die Platte zu hören, hat für mich immer noch etwas Sakrales. Früher habe ich „The Köln Concert“ jeden Sonntag gehört. Aber meistens nur die erste Seite. Heute habe ich echt tolle Boxen, und wenn diese Musik jetzt ganz laut durch meine Wohnung schallt, fühle ich mich, als wäre ich wieder Kind. Und ich stelle mir manchmal vor, dass meine Kinder das heute auch hören und in sich aufsaugen, als etwas ganz Elementares, so wie das bei mir war.

Aufgezeichnet von Maik brüggemeyer

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