Manche Alben hat einfach jeder. Warum eigentlich?

Man kann es sich natürlich einfach machen: Jedes Album, das sich zehn Millionen Mal verkaufen lässt, ist ein Konsensalbum. Immerhin herrscht unter zehn Millionen Menschen Übereinstimmung, dass man dieses Album unbedingt besitzen muss. Klingt plausibel. Aber dass etwa unter Millionen von AC/DC-Fans Konsens darüber besteht, „“Back In Black“ sei eine prima Scheibe, ist so überraschend nun auch wieder nicht. In den Plattenschränken der Klassik-Hörer, Jazzer und Popfans wird man das Werk indes nicht ganz so oft finden – von genreübergreifendem Konsens also keine Spur. Erstaunlicher ist da schon das Phänomen „The Köln Concerts“, 1975 eingespielt vom amerikanischen Jazzpianisten Keith Jarrett. Auf dem Plattencover prangte zwar der Aufkleber „Deutscher Schallplattenpreis“, was den einen oder anderen Käufer bewogen haben mochte, doch auch Mitte der siebziger Jahre war Jazz beileibe keine Mainstream-Unterhaltung. Aber dennoch: „“The Köln Concerts“ war omnipräsent, teilte sich das Plattenregal mit den Deep-Purple-Scheiben ausgewiesener Hardrockfans, mit elterlichen James-Last-Sammlungen und leinengebundenen Beethoven-Kompletteditionen. Ein Konsensalbum, wie es im Buche steht. Wie kam es dazu? Dass Jarretts Werk seinen Weg machte, weil es in großem Stil von unbedarft Schenkenden an mehr oder minder verblüffte Geburtstagskinder weitergereicht wurde, ist wenig wahrscheinlich. Sich zu den Kölner Konzerten zu bekennen, war eine bewusste Entscheidung. Und sei es nur, um etwas zu besitzen, was alle anderen scheinbar schon hatten. Vielleicht allerdings auch aus noch niedrigeren Beweggründen: Mit Cat Stevens in der Plattensammlung konnte man den Frauenversteher mimen, mit „„Brothers In Arms“ von den Dire Straits den innovativen, audiophil Veranlagten, der schon einen CD-Player besaß, als alle anderen noch an der Nadel hingen. Paul Simons „„Graceland“ mochte von kosmopolitischer Gesinnung und korrekter Verurteilung des Apartheid-Regimes künden, das Must-Have-Item „„Come Away With Me“ von Norah Jones gehobenen Lifestyle zwischen Latte Macchiato und Designer-Sofa suggerieren. Und Keith Jarrett? Nun ja: Jazz. Gleichbedeutend mit Intellektualität. Zudem: Der improvisierende Tastenmann machte es einem verdammt leicht, Jazz zu mögen. Notfalls auch irgendwie. Oder hin und wieder. Man kann natürlich auch an das Gute im Menschen glauben. Daran, dass Jarretts Werk so populär wurde, weil stilistisch offene, kritische Konsumenten bemerkten, dass „“The Köln Concerts“ schlichtweg großartige Musik enthält. Dass allein die Qualität entscheidet, wann aus einem Album ein Konsensalbum wird. Meat Loafs „„Bat Out Of Hell“ oder „“No Need To Argue“, das Massenwerk einer irischen Jodelschnepfe und ihrer Band The Cranberries, sprechen allerdings gegen diese These. Was auf die Frage nach dem Warum keine empirisch belegbare Antwort zulässt, sondern nur diese: keine Ahnung.

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