Der Rächer der Unterhaltenen

Eben noch hatte man mit Oliver Kalkofe – mal schmunzelnd, mal gruselnd – über den TV-GAU (Größter Anzunehmender TV-Unfall) geplaudert; plötzlich zu später Stunde das: ein Bildschirm-Ereignis, bei dem die wirklich allerletzten Hemmschwellen der Fernseh-Unterhaltung geschleift wurden. Denn wenn Verona Feldbusch mit dem Talk-Untoten Rudolph Moshammer in ihrer Sendung „Veronas Welt“ Frolic-Hundefutter testet, ob dies Rudis bellender Puderquaste Daisy wohl mundet, und Daisy laut Fummel-Trine Rudi derzeit an einem Enthüllungsroman schreibt, den er nicht schreiben darf und Verona schon ganz gespannt auf das Köter-Elaborat ist, dann schlägt’s 13 auf der nach oben offenen Gaga-Skala!

Ein klarer Fall für „Kalkofes Mattscheibe“, jener TV-Kläranlage, die allsonntäglich unverschlüsselt bei „premiere“ die Schmutzarbeit tut, die kein anderer tun will – nämlich den medialen Dreck, den all die enthemmten Talker, Volksmusik-Blasebälge und schrillen Show-Schranzen abgesondert haben, gnadenlos seziert und kompostiert. Dieses so mutige wie selbstlose Tun brachte Kalkofe nebst Publikumsschelte („dummdreistes Niveau“, „keinen anständigen Beruf gelernt“, „kostet den Staat nur Geld“) auch die verdiente Anerkennung sachverständiger Zeitgenossen ein: 1991 das „Goldene Kabel“ und 1996 den „Grimme-Preis“.

Jetzt kommt uns Kalkofe, der u.a. als „Onkel Hotte“ oder zusammen mit dem kongenialen Dietmar Wischmeyer als die „Arschkrampen“ im „Frühstyxradio“ auf diversen Kanälen sein Unwesen treibt, gänzlich multimedial: Anfang Oktober erscheint „Kalkofes Mattscheibe“ nun auch in Buch- und CD-Format Der rundliche Scharfrichter visueller Abnormitäten will so all den Klamauk-Lemuren, die sich in einer „Metzgerei Boggnsagg“, in „Stenkelfeld“ oder als „Ozelot, Ritter der Tafelschokolade“ und als Jeannie Ätz“ durch den deutschen Äther blödeln, mal zeigen, wo der Spaß echt aufhört und wo der Humor erst anfangt An Verona, dem Echolot für Kloaken-Tieftauch-Rekorde der Privaten in Sachen „Unterhaltung“ (und dank totalem Hirn- und Talent-Defizit neuster „Kult“ der Fun-Fraktion), kommt Kalkofe beim besten Willen nicht vorbei Denn wenn die Moderatorinnen-Travestie so illustre Gäste wie Hans-Jürgen Bäumler, Rosa von Praunheim oder Dolly Buster peepsend zu Genital und Gelüsten befragt, dann kann die passende Antwort nur noch eine 20tönnige Planierraupe (oder Kalkofe) geben.

Zum Brüllen auch, wie er den zauseligen „Hobbythek“-Düsentriebjean Pütz erst über den Witz, dessen Entstehung und Produktion schwachsimpeln läßt, um dann dem Heiligen der Heimwerker unmißverständlich klarzumachen, daß es für Witze zum Selbermachen keine Werkbänke gibt und selbst „alles in Obi“ diesbezüglich leider nichts vorrätig hat Kein Verursacher visueller Sondermüll-Halden entkommt dem wachen Auge von Trash-Fahnder Kalkofe, ob es die Halbgötter in Weiß sind, die im Schwarzwald oder am Palmenstrand so altruistisch medizinische Wunder wirken, daß selbst ein Seehofer kotzen müßte, ob’s Glücksrad- und Lotto-Feen oder die wuchernden Komödienund Musikantenstadl-Retardierten sind, die den mit dem Jetzt Hadernden per inszeniertem Hütten-Käse und tosendem Gemütlichkeit-Ovetkül die „Gute alte Zeit“-Dröhnung verpassen.

Daß man in diesem gefahrvollen Beruf gar mit Figuren konfrontiert wird, deren IQ die Zimmertemperatur noch spielend unterschreitet, belegt sein Telefon-Interview mit der Volksmusik-Überglucke Caroline Reiber. Befragt nach heimlichen Lastern ihrer Gaudi-Garanten, weiß sie nichts von Koksern und Kiffern, sah keinen je ein Schnäpschen kippen, hat nie ein Bier am Mund eines Almdudlers gesichtet und verrät zu guter Letzt, daß ihre Musikanten nur dank alkoholfreiem Bölkstoff in Lustigkeits-Räusche geraten. – Heilige Einfalt Wie Sisyphos macht sich Kalkofe Woche für Woche mutterseelenallein über das Gebirge der jüngsten Entertainment-Monstrositäten her, erkennt mit geschultem Blick neue Kleinode der Peinlichkeit und macht aus ihnen nur von seinem Regisseur attestiert seine politisch absolut unkorrekte, vitriolische TV-Abwatscherei. So ein kapitaler Brocken wie der schnulzende Jung-Adoptiwater Patrick Lindner ist ihm zwar nicht jede Woche hold, aber der Rest der Mischpoke besitzt ja schon Brechreiz-Potential zur Genüge.

„Manchmal“, gesteht ein in natura hochsensibler Kalkofe, „macht mich der ganze Mist so todtraurig und fettig, daß ich fast zum Strick greifen könnte.“ – Lachen machen heißt leiden müssen.

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