Dichtung und Wahrheit

Generationenporträt nach klassischer Vorlage: „"Mitte Ende August" von Sebastian Schipper

Jetzt hat das Feuilleton die „Generation Neon“ ausgerufen. Benannt nach der überaus erfolgreichen Zeitschrift, dem „Zentralorgan des jungen deutschen Gefühlsprekariats“ (Der Spiegel), mit dem Slogan „Eigentlich sollten wir erwachsen werden“. Gleich mehrere deutsche Filmproduktionen beschäftigen sich gerade mit den Problemen dieser Generation, ihre Rolle in der Gesellschaft zu finden. Maren Ades großartiges „Alle anderen“ etwa, das auf der diesjährigen Berlinale zum Überraschungserfolg wurde, und auch „Mitte Ende August“ von Sebastian Schipper. Doch während Ades Protagonisten in endlosem Lamentieren und Psychologisieren um sich selbst kreisen, hat Schipper eine offenere, weitere Perspektive gewählt. „Ich frage eher, woher diese Unsicherheit kommt“, so Schipper, „und ich glaube, die Antwort ist, dass die Welt so wahnsinnig kompliziert ist. Klar würde man heute auch gerne eine große Revolution ausrufen, aber die Generation vor uns hat uns gezeigt, dass das doch letztendlich sehr wenig überzeugend ist. Ich finde die Bescheidenheit im Kleinen viel interessanter. Die brutalste Revolution, die es gibt, ist die persönliche.“

So hat Schipper seine Protagonisten in „Mitte Ende August“ ganz auf sich selbst zurückgeworfen. Hanna (Marie Bäumer) und Thomas (Milan Peschel) haben ein einsames heruntergekommenes Haus auf dem Land gekauft. Hier wollen sie sich niederlassen, sesshaft werden, erwachsen. Doch dann kommt Thomas‘ Bruder Friederich (Andre Hennicke), ein von Frau und Kindern verlassener Architekt, zu Besuch, und Hanna holt sich ihr Patenkind Augustine (Anna Brüggemann) als weibliche Verstärkung. Plötzlich stehen die beiden Verliebten da, zwischen der süßen unbedarften Augustine und dem nüchternen Friedrich, zwischen Jugend und Erwachsensein. Ihre Beziehung wird auf eine harte Probe gestellt, und man spürt, wie die Protagonisten von Bild zu Bild einsamer werden.

Vorlage für diese klassische Konstellation waren Goethes „Wahlverwandschaften“, die Regisseur Schipper im Urlaub zunächst eher widerwillig mangels Alternative in die Hand nahm. Doch schon nach wenigen Seiten war ihm klar, dass dies sein nächster Film werden musste. „Da wurde vor allem eine Sehnsucht nach Form befriedigt“, meint er. „Dieser Roman kommt aus einer Zeit, in der eine Struktur, Regeln und Werte noch eine große Rolle spielten. Natürlich war es wichtig, dass bestimmte Regeln, Werte und Vorurteile später hinterfragt wurden, aber jetzt mit dem immergleichen Schaum vorm Mund weiterhin die totale Freiheit zu propagieren und das Abschaffen des verklemmten Bürgertums, ist überholt. Wen will man denn da abschaffen?“

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates