Die Avantgarde entlässt ihre Kinder

Aus der New Yorker No-Wave-Szene kondensierten die frühen Sonic Youth ihr Selbstverständnis

Als die Kunststudenten Kim Gordon und Lee Ranaldo in den späten 70er Jahren nach New York kamen, fanden sie dort eine experimentierfreudige Kunst- und Musikszene vor. Gordon arbeitete zwar zunächst in Galerien, organisierte Ausstellungen, schrieb für Magazine wie „Artforum“, doch schon bald versuchten sich die beiden auch als Musiker in verschiedenen Avantgarde-Bands. „Damals schienen bildende Kunst und experimentelle Musik von ein und derselben Energie getragen. Ein Crossover zwischen beiden Bereichen legte schließlich auch den Grundstein für die verschiedene Disziplinen umfassenden Tätigkeiten von Sonic Youth“, meint Roland Groenenboom, der zusammen mit der Band die Ausstellung „Sonic Youth – Sensational Fix“ kuratiert hat.

Künstler wie Musiker gefielen sich in rebellischen Posen, die Übergänge zwischen Kunstausstellung und Performance waren fließend, Konzerte fanden häufig in Galerien statt. Wie die Sonic Youth-Mitglieder arbeiteten auch die meisten anderen Protagonisten der alternativen Szene New Yorks multidisziplinär: Robert Longo ebenso wie Lydia Lunch oder Richard Prince. Als wichtige Integrationsfiguren galten etwa der Konzeptkünstler Dan Graham oder der Avantgarde-Musiker Glenn Branca, in dessen Orchester Lee Ranaldo und Thurston Moore zeitweise spielten und der später auf seinem Label Neutral Records das Sonic Youth-Debüt veröffentlichte.

Wie selbstverständlich und offen der Diskurs zwischen Musik und bildender Kunst stattfand, führt auch die Idee des „Noise Fest“ vor, bei dem Sonic Youth am 18. Juni 1981 ihren ersten öffentlichen Auftritt hatten. Der damals 23-jährige Thurston Moore hatte das Festival organisiert, das im „White Columns“ in Soho stattfand. Moore zitierte auf dem Festivalplakaten den New Yorker Club-Betreiber Robert Boykin, der sich in der „Soho Weekly“ über den Niedergang der Popmusik beschwert hatte. Mit dem Satz „Let’s face it, a lot of music has just become noise“, gab Boykind unfreiwillig nicht nur dem Festival, sondern auch einem neuen Genre einen Namen. Beim „Noise Fest“ ging es jedoch um alles andere als um Lärm. Moore hatte nicht nur alle Vertreter der Experimental- und Improvisationsmusik aus seinem Bekanntenkreis für das Festival verpflichtet, sondern gleichzeitig lief eine Ausstellung, bei der alle ausstellenden Künstler zugleich Musiker waren. Ein Ansatz, dem sich Sonic Youth bis heute verpflichtet fühlen.

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