Die Berliner Band Big Light hat sich nach zwei Alben vom Wohlklang verabschiedet. Dafür führt nun der Computer Regie

Am Anfang war die Gitarre. Auch bei Big Light – aber die verschwand schon mit den Demos zum Debüt wieder im Hintergrund, als Gitarrist Sven Haeusler beim Homerecording die Reize des Computers entdeckte. Statt sich also als noch eine Berliner Gitarrenrockband herumzuschlagen, reüssierte das Trio 1993 lieber mit radiokompatiblem Soul-Pop. Dieser Schmusekurs ist nach den beiden Alben, „High Density“ und „Pop 2ooo“ jedoch bereits wieder korrigiert. „Viele hätten gerne das letzte Album mit seinen glatten Arrangements fortgeführt gesehen, vor allem die Plattenfirma, aber wir wollten nicht auf ewig ,die Band mit den echten Streicherarrangements‘ sein“, erklärt Haeusler den recht gewagten Soundwechsel, der Anfang des Jahres auch zur Trennung von ihrem Stammproduzentenjens Krause führte.

Das neue Album „Now Here“ quillt stattdessen über von kantigen, elektronischen Sounds und gesampelten Geräuschen, die sich über Drum-’n’Bass-Grooves wälzen. Ein Zeitgeistalbum. „Ich versuche halt Sachen zu entdekken, welche mir Kicks geben“, erklärt der Programmierer, Produzent, Gitarrist und Songwriter Haeusler diesen Wandel, „denn das Gewohnte wird so schnell langweilig, und dann brauche ich neue Einflüsse. Und das sind derzeit Drum’n’Bass.“

Das bunte Rhythmus-Patchwork entspricht seiner Basteltätigkeit in den eigenen vier Wänden, wo er programmiert und verfremdet, bevor innerhalb der Band über die Musik kommuniziert wird. Enter: Bassist Alex Moebius und Sänger Carlo Hackenberger. Ihre Kontaktaufnahme mit den Ergebnissen ihres Programmierers findet statt, wenn das Gerüst bereits steht und mit Melodie und Gesang ausgefüllt werden muß. Die ganz bewußte Abkehr von allzuviel Wohlklang ist da auch dem Do-it-yourself-Prinzip geschuldet, das man nun, im Zeitalter der kleinen, individualisierten Produktionseinheiten verfolgt „Wir wollten experimentieren. Und das heißt jetzt eben nicht mehr, daß wir einen Saxophonisten oder ein Orchester ins Studio holen, sondern daß wir zu Hause probieren, was wir selbst leisten können.“ Carlos Crooning mutet zwischen all den trendy Sounds dabei längst wie ein Relikt aus Soul-Zeiten an: leicht gestelzt und sonor bewegt er sich durch Wummern und Pluckern wie ein verlorener Philip Marlowe in den glitzernden Straßen einer futuristischen Großstadt.

Mit dem Titelsong „Now Here“ bieten Big Light dann aber doch den Track im klassischen Songformat Er handelt von dem gar nicht so üblen Gefühl, sich auch mal schlecht zu fühlen und zielt mit gesampelten Vocals einer Reggae-Stimme und wärmendem Slow-beat doch noch direkt auf den Radiohörer. Der einzige Song übrigens, der von Haeuslers Bruder Johnny geschrieben wurde. Dessen Band Plan B erhielt von der Ariola einst den Laufpaß, während ihr fertiges Album unveröffentlicht blieb. Big Lights Cover-Version soll wenigstens einem der Songs ein wenig Gerechtigkeit angedeihen lassen. Auf das Ergebnis können beide Brüder stolz sein.

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