Die besten Absichten

Für diesen ohnehin reichen, glücklichen Herbst wurde das neue Album von Morrissey erwartet – und mit ihm eine wahre Lawine von Gewölle, Gemeine und Getöse. Bereits Ende letzten Jahres hatte der notorische Provokateur sich über den Verlust britischer Eigenart beklagt – aus dem Ausland. Während er in jedem europäischen Land die typischen Attribute – Tulpen in Holland, Käse in der Schweiz, Froschschenkel in Frankreich, Kännchen draußen in Deutschland und unverwechselbar einheimische Gesichter beobachten könne, sehe er in England den Verfall der einst weltumspannenden Kultur. Der Laden um die Ecke verkauft Curry, der Arzt ist ein Muslim, und rund um den Piccadilly eröffnen lauter ausländische Restaurants! Nach dieser furiosen Bestandsaufnahme im „NME“ bestritt Morrissey zwar ebenso umständlich wie unglaubhaft, dass er sich etwa gegen Einwanderer gewandt hatte – doch eine neue Runde im Kampf des Exilanten um genuines Britischsein schien vorbereitet. Dann wurde Morrisseys angeblich längst fertiggestelltes Werk leider aufs nächste Jahr verschoben.

Nicht so das neue Album von Oasis. Im Nachklang des Glastonbury-Festivals stänkerte der stets zuverlässige Noel Gallagher, diese urbritische Veranstaltung brauche keine Beiträge aus dem Bereich des HipHop – Jay-Z hatte es gewagt, das legendäre Territorium zu beschallen. Nach diesem gelungenen Auftakt pöbelte Gallagher gegen eine Band, die sich durchaus traditionellem Britpop verschrieben hat: Auch in einer Phase der stärksten Betäubung durch Drogen und Alkohol wäre es ihm nicht in den Sinn zu kommen, irgendein Stück der Kaiser Chiefs für gelungen zu halten. Indes hielt er manches Stück des Oasis-Albums „Be Here Now“für vollendet.

Nun haben solche Invektiven auch auf anderem Geläuf eine schöne Tradition. Unvergessen Truman Capotes Verdikt, Norman Mailers Arbeit sei „kein Schreiben, sondern Tippen“. Herbert Wehner demontierte den Schöngeist Willy Brandt nach dessen Russland-Reise mit der Information, der Herr „badet gern lau“. Und vor nicht allzu langer Zeit fragte Angela Merkel, ob sie nicht gleich bei der Xanthippe Andrea Nahles (statt beim bräsigen Kurt Beck) anrufen solle, wenn sie mit einer verantwortlichen Person bei der SPD sprechen wolle.

Der amerikanische Liederschreiber Randy Newman ist vor allem bekannt dafür, dass er 1977 kleinwüchsige Menschen beleidigte, als er in dem Song „Short People“ über deren Daseinsberechtigung nachdachte. Die derbe Satire wurde ein Hit in den USA. Auf demselben Album desavouierte Newman die Ostküstenstadt Baltimore, machte sich in „Kathleen“ über den Katholizismus lustig und sang ein Lied über einen Düsseldorfer Kindesmörder. Zwei Jahre später bekannte er in dem höhnischen Stück „The Story Of A Rock And Roll Band“ seine Liebe zu ELO. Dann komponierte der Spötter viele Musiken für die putzigen Kinderfilme von Pixar.

Nun hat Newman nach vielen Jahren ein neues Album vorgelegt, das schon insofern ein Erfolg ist. als immerzu der Song „A Piece Of The Pie“ zitiert wird, in dem Newman behauptet, der üble Zustand der USA kümmere ohnehin niemanden mehr – mit Ausnahme von Jackson Browne. Das sei durchaus „ein Kompliment“, erklärt er in Interviews, denn Browne habe sich dagegen entschieden, reich zu werden.Er könnte drei ausverkaufte Konzerte an einem Ort hintereinander geben, „wie Neil Diamond“ – statt dessen singe Browne als einziger Mensch noch immer über nukleare Waffen, wie Newman eines Tages aus seinem Auoradio hören musste: „He’s the only one who didn’t give up.“

In demselben Stück heilst es über einen „Johnny Cougar“: „He’ll be singing for Toyota by the fall.“ Gemeint ist John Mellencamp, der zu Beginn seiner Karriere John Cougar genannt wurde. Angesichts schwindender Plattenverkäufe hatte der Musiker im letzten Jahr sein Pamphlet „Our Country“ für einen Werbespot von Chevrolet zur Verfügung gestellt, damit der Song möglichst oft zu hören sei. Das geschah – doch mehr verkauft wurde trotzdem nicht von dem dazugehörigen Album „Freedom’s Road“, das im Wesentlichen die These enthält, dass die Straße zur Freiheit zum Holzweg geworden sei. Schon 1985 beklagte John „Cougar“ Mellencamp, grimmig an einem Stacheldrahtzaun grübelnd, dass unter der Reagan-Regentschaft die amerikanischen Farmen starben: „Rain On The Scarecrow“. Mit dem Bravado eines gedemütigten Einödbauern bebte der Apologet der Kleinstadt damals: „This land fed a nation, this land made us proud.“ Bei anderer Vortragsweise könnte der Vers auch von Randy Newman stammen.

Richtig, Newman. Er saß also eines Morgens beim Frühstück in einem Hotel. Plötzlich stand ein Mann vor dem Fenster und deutete auf ihn. „Das ist John Cougar Mellencamp“, sagte der Tischnachbar. Newman: „Wirklich?“ Und der Mann vorm Fenster reckte seine Faust. Von dieser Drohung beeindruckt, schickte Newman einen Blumenstrauß mit einer Karte an Mellencamp, auf der stand: „I’m just a soul whose intentions are good – oh, Lord, please don’t let me be misunderstood.“

Lesen Sie bitte in dieser Ausgabe auch den Beitrag über „The Big Lebowski“ und T Bone Burnett, der die Musik für den Film zusammenstellte und den Song „Dead Flowers“ benötigte, an dem der Rolling Stones-Manager Allen Klein die Rechte hielt. Burnett zeigte Klein den Film. An einer Stelle fiel eine abschätzige Bemerkung über die Eagles, und Klein sagte umstandslos: „Das ist es. Sie haben den Song.“ Kein Geschäftsmann (oder ein Glenn Frey!), wer Böses dabei denkt.

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