Zwischen den Stühlen

Mit 67 denkt Randy Newman noch nicht ans Aufhören. Der Songschreiber über Beklemmungen, bizarre Momente und weitere Pläne.

Randy Newman braucht heute zwei Stühle, um Interviews zu geben. Je nachdem, wo der Rücken gerade mehr schmerzt, sitzt er auf weichem Leder oder hartem Holz. Passt eigentlich gut zu diesem Mann, der es sich nie bequem gemacht hat, vor allem nicht in seinen Liedern. Sein „Songbook Vol. 2“ ist gerade erschienen, und der 67-Jährige gewöhnt sich langsam daran, zurückzublicken und das eigene Werk zu beurteilen.

Was haben Sie bei den Neuaufnahmen Ihrer alten Songs gelernt?

Ich weiß jetzt ungefähr, welcher meiner Songs von welchem Album ist! Eigentlich kann ich mir so was gar nicht merken, und wahrscheinlich habe ich es in ein paar Monaten wieder vergessen. Es ging mir bei der Auswahl vor allem darum, dass die Mischung stimmt. Und die Plattenfirma sagte: Lieber Überraschendes, nicht die Hits. Und ich sagte: Hits? Welche Hits? „Short People“?

Welches Bild von der Mensc**eit würde jemand bekommen, wenn er nur Ihre Texte kennt?

Bei meinen Songs bedeuten die Worte ja selten das, was auf dem Papier steht. Würde man einem Außerirdischen den Text von „Political Science“ ausdrucken, was würde er dann denken? Dass der Typ irre ist, der da behauptet, dass Asien zu überfüllt ist und Europa zu kalt und Kanada zu kalt? Oder bekloppt? Man müsste denen irgendwie begreiflich machen, dass wir über solche Typen lachen. Na ja, die meisten von uns jedenfalls.

Zitieren Sie privat je Zeilen aus Ihren eigenen Songs?

Das kommt vor. Aber noch häufiger kommt es vor, dass ich mir wie in einem meiner Stücke vorkomme. „Take Me Back“ zum Beispiel erzählt davon, wie alles gut läuft und dann … Neulich saß ich mit ein paar Mädchen an einem Tisch und redete und fand, ich komme ganz toll an. Und dann machte ich eine ausladende Bewegung und schlug dabei dem Kellner ins Gesicht. So was passiert mir oft.

Notieren Sie sich unterwegs Ideen für Songs?

Nein, das habe ich nie getan, aber ich möchte jetzt damit anfangen! Ich sollte endlich mal meine Einstellung dem Songschreiben gegenüber ändern. Ich hasse es nämlich und fange deshalb oft gleich gar nicht damit an. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Es tut mir auch leid für die Leute, die meine Lieder schätzen, dass ich ihnen sagen muss, dass ich nie Spaß am Schreiben habe – erst, wenn ich das Resultat konkret vor Augen habe. Dann muss man versuchen, den Song so hinzukriegen, dass man ihm die Qual nicht anhört. Wenn er sich nach Arbeit anhört, hat man versagt. Wenn ich mir dieses Kompliment machen darf: Meistens hört man das bei mir wohl nicht.

Schreiben Sie schon Lieder für ein neues Album ?

Nein, bisher nicht. Aber ich habe es vor. Und ich möchte, dass es nicht so ein Kampf wird. Als ich „Losing You“ schrieb, ging das so schnell, da gab es mal keine Beklemmung und Angst. Vielleicht sind Balladen einfacher. Vielleicht rutschten Stevie Wonder und Ray Charles deshalb ins Balladenland ab und rockten nie wieder. Eine Chance für mich! Aber leider interessiert mich das nicht so. Mir sagte mal ein Typ: „Randy, du bist ein thinker, ich bin ein feeler.“ Ich wollte ihm eine reinhauen. Andererseits: „Feels Like Home“, „Marie“ – alles gut und schön, aber nur noch so was? Ich glaube nicht.

Dieses Jahr haben Sie Ihren zweiten Oscar gewonnen. Waren Sie so überrascht, wie Sie bei der Rede behaupteten?

Natürlich! Ich habe ja auch schon 18-mal nicht gewonnen, als ich nominiert war. Und ich war stolz, ein paar Tage lang habe ich mich richtig gut gefühlt. Ich saß neben Sharon Stone. Sie fragte, ob ich ein Mint will. Tatsächlich biss sie die eine Hälfte ab und gab mir die andere. Diät nach Hollywood-Art! Ich schätze solche bizarren Momente.

Nicht wenige Fans halten Ihre netten Soundtrack-Arbeiten eher für Zeitverschwendung.

Ich verstehe diese Kritik, aber mir fällt diese Arbeit leicht. Ich kann ja kaum objektiv sein, aber manchmal wiederhole ich mich bei den Animationsfilmen jetzt vielleicht schon, weil ich so viele gemacht habe. Ich möchte demnächst etwas anderes machen. Aber ich weiß nicht, ob ich das durchziehen werde.

Mit 67 könnten Sie auch in Rente gehen.

Ich plane nicht mehr 20 Jahre voraus, aber ich kann mir auch nicht vorstellen aufzuhören. 2030 vielleicht. Momentan spüre ich eher den Druck, manches auszubügeln, was ich falsch gemacht habe, oder alles besser zu machen als bisher.

Im Sommer treten Sie in Australien mit einem Symphonieorchester auf …

Ich freue mich darauf! Wir werden etwas mehr proben müssen, aber ich möchte gern mal wieder nach Australien, ich war erst einmal dort. Zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben denke ich oft: Das ist vielleicht meine „Last-chance-to-see-Tour“. Außerdem ist es mal etwas anderes. Ich habe auch schon überlegt, mal mit einer Band aufzutreten, damit meine Shows nicht immer gleich sind. Und damit die Fans sagen können: Okay, jetzt haben wir das auch mal gesehen, aber allein bist du besser. Und ich kann dann sagen: Danke. Hättet Ihr das früher gesagt, hätte ich mir viel Geld sparen können.

Wie wichtig sind Ihnen die Reaktionen des Publikums, wenn Sie Ihre Songs spielen?

Schon wichtig, aber sie ändern sich von Ort zu Ort. Meine erste Frau war Deutsche, sie kam aus Düsseldorf und hielt alle Norddeutschen für kalte Fische. Als ich zum ersten Mal in Hamburg spielte, wunderte ich mich, dass kaum Reaktionen aus dem Publikum kamen. Von den Amerikanern bin ich gewohnt, dass sie lachen und dazwischenrufen. In der Umkleide hieß es dann plötzlich: Du musst noch mal raus, die klatschen immer noch. In München wiederum waren die Zuschauer gleich recht laut. Ich sagte zu meiner Frau: Schau, denen gefällt es! Worauf sie antwortete: Nein, die tun nur so. birgit fuss

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