Die Brit-Invasion spaltete den US-Folk: Die Traditionalisten zeterten, die Byrds und Bob Dylan aber griffen zur E-Gitarre

Die Elektrifizierung der Folk Music hatte viele ideelle Väter, in Bob Dylan einen Paten, doch der Samen, der die reife Eizelle in Kalifornien befruchtete und zur Zellteilung verhalf, kam aus England. In den Fifties und frühen Sixties Teil der Beat-Bewegung und äußerst hip, verlor Folk schnell seine Attraktivität für junge Intellektuelle, als der Protest-Folk belehrend den Zeigefinger hob und die Hootenanny-Gruppen ihre Botschaften zu predigen begannen wie die Heilsarmee. Sing-out mit Onkel Pete Seeger war okay, cool war es allerdings nicht.

Die Klampfen-Idylle hatte keine Chance, als die britische Invasion kam. Tapfer setzten sie sich zur Wehr, die musikalischen Sachwalter der Bürgerrechtsbewegung, so mancher aufrechte Troubadour blies kräftiger in seine Mundharmonika, um jenen Ungeist zu bannen, welcher in elektrischen Gitarren wohnte und die Jugend längst verhext hatte. Auch Bob Dylan zeigte sich anfangs Beat-resistenL Die Beatles verachtete er, ihre Musik nannte er Bubblegum. Eine erstaunliche Einstellung für einen Mann, der Elvis nicht weniger verehrte als Woody Guthrie und der ein paar Jährchen zuvor noch in sein Highschool-Jahrbuch geschrieben hatte, es sei sein erklärtes Lebensziel, „in der Band von Little Richard mitzuspielen“.

Die Byrds waren jünger, trugen nicht am schweren Gepäck einer musikalischen Identität, auch wenn ihre Mitglieder früher in Folk- und Bluesgrass-Bands gespielt hatten. Mit fliegenden Fahnen kapitulierten sie vor den Beat-Insignien der Briten. „Wir wollten klingen wie die Beatles und aussehen wie die Stones“, erzählt Roger McGuinn gern, und verschweigt lieber, daß die Begeisterung für die Invasoren auch bizarre Blüten trieb. Nicht nur, daß sie sich zuerst The Beefeaters nannten, nicht nur, daß der Bluegrass-Musiker Chris Hillman dazu vergattert wurde, Paul McCartneys Baß-Spiel zu kopieren, nein, der einzige Grund, warum Michael Clarke trotz mangelnden Talents den Drummer-Job bekam, war, daß er eine Frisur sein eigen nannte wie sie der Stone Brian Jones trug.

Und so klingen die ganz frühen Byrds-Aufhahmen, erst 1969 auf „Preflyte“ veröffentlicht, nur vage nach Folk-Rock und mehr nach Beatles und Searchers. Alles Präliminarien. Der goldene Moment, als McGuinns 12string Rickenbacker im Frühjahr 1965 „Mr. Tambourine Man“ einläutet, sollte sich als musikalich sinnstiftend erweisen für mehr als eine Generation Folk-Rocker.

Auch Dylan blieb davon nicht unbeeinflußt. Elektrifiziert war sein Sound schon, wenn auch auf andere, nicht so radiotaugliche Art. Er benutzte elektrische Instrumente nicht zur Melodieführung, sondern zur Anhebung des Energie-Levels und zur Verankerung einer für ihn neuen Sorte Songs, die nicht mehr den Lehrstückcharakter von ehedem hatten, die assoziativer und abstrakter waren als „Blowin‘ In The Wind“, doch galt Dylans Interesse nicht dem süßen Wohlklang und den satten Harmonien. Im Gegenteil. „Subterranean Homesick Blues“ rumpelt archaisch und riskant, und auch die Tracks auf „Highway 61 Revisited“, allen voran „Like A Rolling Stone“, sind bluesorientiert und eher primitiv.

Im Herbst 1965 nahm sich Tom Wilson, der Produzent von „Stone“, den rein akustischen Simon & Garfunkel-Song „The Sounds Of Silence“ vor. In Abwesenheit der Künstler ersetzte er die vorherige Folk-Begleitung durch E-Gitarren, Baß und Schlagzeug. Paul Simon erfuhr erst davon, als die Single Platz 1 erreicht hatte. Folk-Rock, keine zwölf Monate alt, war schon Masche und Matrix.

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