Die ewige Ironie

Sonnige Wonnen: "Magnum", der schönste Mann der Achtziger, ermittelt im ZDF

Ich weiß, was Sie jetzt denken, und Sie haben recht: „Magnum“ ist eine verdammt alte Fernsehserie, wir sahen sie zuerst im Sommer 1984. Damit begannen auch in Deutschland die 80er-Jahre, denn in den USA hatte „Magnum, p.i.“ bereits 1980 seinen Dienst auf dem Anwesen des unvorstellbar reichen, aber nie anwesenden Schriftstellers Robin Masters angetreten – auf der hawaiianischen Insel Oahu.

In mancherlei Hinsicht bedeutete die Serie (eigentlich: Reihe) den Anfang der Retro-Welle: Die voice over narration, die Erzählung aus dem Off verdankte sich dem Film noir und dem dort verbreiteten Manierismus, den Helden selbst rückblickend sprechen zu lassen. Reminiszenzen an den Vietnam-Krieg sind in die Handlung integriert: Magnums Freunde T.C. (Theodore Calvin), ein Hubschauberpilot, und Rick (Orville Wilbur Wright III.), ein Nachtclub-Besitzer, sind alte Kombattanten. Gern zieht Magnum seine fesche Marine-Uniform an – schließlich reichen die kühnsten Episoden bis in die Zeit vor Pearl Harbor zurück und beschwören die Atmosphäre von „Verdammt in alle Ewigkeit“.

Dass Fred Zinnemanns Film 1953 sehr genau die Wirklichkeit von Hawaii beschreibt, bestätigte kürzlich Alexander Paynes Tragikomödie „The Descendants“: Man kann reich und schön sein auf Hawaii, aber nicht glücklich. Montgomery Clift und Frank Sinatra sterben in dem alten Rührstück; in „Descendants“ stirbt Clooneys Frau – und es stellt sich die Frage, ob überhaupt jemand lebt. Thomas Magnum ist ein Mann, der von Albträumen heimgesucht werden müsste – doch seine Nemesis ist bloß der britische Verwalter Jonathan Higgins, ein ehemaliger Offizier, der auch als Geheimagent, Botaniker und Mathematiker tätig und an allen entscheidenden Schlachten des Zweiten Weltkriegs beteiligt war.

Der hedonistische und schlamperte Privatdetektiv darf im Gästehaus des Anwesens wohnen und Robin Masters‘ roten Ferrari nutzen und kümmert sich im Gegenzug um die Sicherheit der Anlage, de facto um nichts. Der akribische, snobistische Higgins genießt seine Macht, gewährt und entzieht Privilegien, provoziert und kujoniert den leichtlebigen Untermieter. Higgins, ein bauchiger, tadellos gescheitelter Schrat in Khaki-Uniform, gebietet über die Dobermänner Apollo und Zeus. Unvergessen der Blick, den er einem lauten Amerikaner zuwirft, der die Namen „ganz schön schwul“ findet. Higgins intensiviert daraufhin die 37 Übungen der „Stillen Wacht“, eines Hundelehrbuchs.

Über die latente homosexuelle Verbindung wischen Magnum und Higgins ist viel Gescheites und Amüsantes geschrieben worden. Natürlich ist das System von Bestrafung und Belohnung der Lustgewinn des Älteren; der Jüngere nutzt Tennisplatz und Surfbrett, Kamera und Garten und spottet ausgiebig. Doch zugleich handelt es sich hier um die einzige stabile neben den angedeuteten unerquicklichen (heterosexuellen) Verbindungen Magnums. Lustigerweise war Tom Selleck damals ein bekennender Homosexueller, John Hillerman aber, der so formvollendet die Landedeltucke gab, vor allem Texaner. Hillerman war zuvor in wenigen (ähnlich gelagerten) Nebenrollen aufgetreten und das beste typecast aller Zeiten. Tom Selleck war das zweitbeste.

Umso trauriger, dass zwar die Screwball-Dialoge zwischen den beiden Antagonisten liebevoll und gewitzt sind, aber fast sämtliche Außenbeziehungen unglaubwürdig wirken: Robin Masters, der nie im Bild ist (man sieht seine Hand mit einem Glas Whiskey, den Hut, die Schuhe) wird fälschlich als Hemingway-Typus gezeichnet (richtig wäre etwa James A. Michener), und weil er im Original von Orson Welles gesprochen wurde, musste er sich in der Synchronisation die Stimme von Friedrich Schütter (später von Mario Adorf) leihen. Am Ende der Serie stellt Magnum die letzte aller Fragen: Gibt es Robin Masters – oder ist er eine Erfindung von Higgins? Da war Magnum schon einmal ins Koma gefallen und gestorben, hatte eine Mutter bekommen, einen Onkel, eine frühere Braut und (wahrscheinlich) eine Tochter, und die Episoden waren Träume, Halluzinationen und Rückblenden.

Ich weiß, was Sie jetzt denken, und Sie haben recht: Das alles klingt nicht so, als müsste das ZDF jeden Donnerstag nach „Markus Lanz“ zwei der 162 Folgen von „Magnum“ zeigen. Aber das Entscheidende war schon damals nicht der Ferrari, die Action oder die Handlung. Es war die Art, wie Thomas Magnum seine Shorts trug und Higgins seine Bundhosen. Es waren die Schnauzbärte, die bunten Hawaii-Hemden, die Anzüge von Rick, die Jeans von TC. Die Wellen. Das Licht. Die Synchronstimme von Tom Selleck.Die Verheißung ewiger Ironie.

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