Die falsche Zeit für zarte Töne

Fernando Pessoa – kein Name, mit dem man Reklame macht für eine englische Gitarrenband. Deshalb nützt es Isabel Monteiro, der Sängerin und Bassistin von Drugstore wenig, wenn sie von dem portugiesischen Poeten schwärmt Die gebürtige Brasilianerin tut’s dennoch: „Ich liebe seine Gedichte! Auch wenn sie eigentlich als unübersetzbar gelten, hab ich den Jungs einige vorgelesen. Damit sie wissen, wo ich stehe.“ Die Jungs sind: Daron Robinson, Gitarre. Mike Chylinski, Schlagzeug. Und Ian Burdge, ahm… Cello. „Wir sind nun mal keine coole Gruppe“, erklärt Isabel schüchtern lächelnd. „Wir sind ein Haufen Weicheier.“

Tatsächlich ist Isabel keine Klischee-Britpop-Sängerin. Sie sitzt im dunklen Wohnzimmer eines kleinen Appartments in einem tristen Block des Londoner Arbeiter- und Rechtsradikalenviertels Poplar und beteuert, daß es ihr hier gefalle; schließlich lebe ihre beste Freundin gleich nebenan. Im Radio läuft ein Klassiksender („Ich höre fast nur Klassik“), an der Wand hängt ein Foto von Frida Kahlo. Wir reden über Pessoa. Und über Thom Yorke.

Isabel hat mit dem Radiohead-Kopf das Duett „EI President“ aufgenommen, das nun nicht nur auf dem Drugstore-Album „White Magic For Lovers “ zu hören ist, sondern sich zudem als kleiner Uberraschungs-Hit in den USA entpuppte. Der erste Schritt zu Ruhm und Reichtum? Isabel hat da ihre Zweifel: „Ich weiß nicht, ob ich das wollen würde. Aber es ist schön, daß überhaupt etwas passiert.“

Lang genug hat’s gedauert – das Album war schon seit Ewigkeiten fertig. „Die Veröffentlichung wurde ständig verschoben. Irgendwann begannen wir, unser Equipment zu verkaufen, weil wir pleite waten. Hätten wir gewußt, daß diese Mühlen so langsam mahlen, hätten wir zwischenzeitlich einen normalen Job angenommen. Aber niemand sagte uns was! Ich glaube, man ließ uns zappeln, um uns im Windschatten des Radiohead-Erfolgs zu veröffentlichen. Aber so was macht man doch nicht, oder?“ Natürlich nicht! Wo doch jeder weiß, daß Plattenfirmen wohltätige Unternehmen sind.

„White Magic For Lovers“, mittlerweile in Lizenz veröffentlicht, zeigt die Gruppe als gespaltene Persönlichkeiten: Da gibt s einerseits die fundamentalistischen Gitarrenkracher, die – wie der Opener „Say Hello“ – geradezu ekstatisch ausfallen, in der Regel aber eher schlicht ausfallen. Die andere Hälfte gehört leisen Liedern, die – wie der Titeltrack – mit sonnigen Melodien verfuhren oder aber – wie das melancholische „The Funeral“ – tief in die Gefühlskiste greifen. Und dann ist da natürlich noch der „Song For Pessoa“: „How sweet is the dreamers night/ To wipe everything clean/ In this world that willnever be minel1dream.“

Aber da man mit ätherischer Lyrik weder einen MTV-Stammplatz noch das Konzertpublikum erobern kann, rocken Isabel und ihre Jungs unverdrossen weiter. Damit bloß keiner merkt, mit wem man’s hier in Wahrheit zu tun hat: einem Haufen supersympathischer Weicheier nämlich.

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