Die Inszenierung des Patrick Wolf

Patrick Wolf zu begegnen und seine Musik zu hören, ist eine ähnliche ästhetische Erfahrung wie eine Vorführung von Derek Jarmans Punk-Film „Jubilee“: Königin Elizabeth I. wird dort von einem Okkultisten ins London des Punkzeitalters entfuhrt. Zwei Epochen treffen aufeinander, die sich – auf den ersten Blick – ferner nicht sein könnten. 2004 erschien uns Patrick Wolf zu seinem Album „Lycanthropy“, einer Mischung aus Elektronik und mittelalterlicher Folklore, als Geigenjunge, der – frustriert von den Geschlechterrollen im englischen Schulsystem aus dem Elternhaus geflohen war und wie eine Charles-Dickens-Figur auf der Straße lebte. Ein Jahr später gab er sich auf dem wunderschönen Folk-Album „Wind In The Wires“ als bleicher Romantiker und Naturfreund, der mit dem Zug die Küste Südküste Cornwalls erkundete. Das neue Album „The Magic Position“ ist ein konfessionelles Songwriter-Album über eine gescheiterte Beziehung und zugleich eine knallbunte Elektropop-Platte, auf der aber neben Synthesizern und Beats hauptsächlich traditionelle Instrumente wie Streicher, Bläser, Dulcimer und Ukulelen zu hören sind.

Und es klingt so, als wäre das das Natürlichste von der Welt. Ist es natürlich nicht. Der Perfektionist Wolf hat alles unter großer Belastung seiner eigenen Nerven und der seiner Musiker durchkomponiert, -arrangiert, -dirigiert und -produziert. Auf dem Albumcover erscheint Wolf uns als Glamour Boy mit roten Haaren und goldenen Schuhen.

Die Mission des Patrick Wolf

Ab November will Wolf – nach einer großen Abschiedsshow in London nur noch durch seine Kunst mit der Außenwelt kommunizieren Keine Konzerte mehr, keine Interviews. „Egal ob ich am Ende des Tage müde hin, keine Foto-Shoots mehr sehen kann, jemand gestorben ist. eine Liehe zuende geht oder ich schlechten Sex hatte: Musik richtet mich wieder auf. Ich würde sterben für meine Musik. Und in gewisser Weise tue ich das, wenn ich der Welt Lebewohl sage. Ich sterbe als öffentliche Person, um wieder ganz Musiker zu werden.“ Wolf vergleicht seine Mission mit der von Orlando, dem Protagonisten aus Virginia Woolfs gleichnamigem Roman, einer überzeitlichen Biografie, in der Orlando innerhalb von 400 Jahren nur um 10 Jahre altert, seine gesellschaftliche Stellung ständig ändert und im 20. Jahrhundert als Schriftsteller seine Erfahrungen niederschreibt. „Er war männlich und wurde weiblich, war arm, war reich, war ein Soldat und eine Lady Seine Geschichte hat mich sehr fasziniert, mein Selbstbild und meine Musik beeinflusst. Ich möchte, dass man meine ganze Reise sieht. Von mir, als ich 18 war und dieses kleine Album ‚Lycantropy‘ gemacht habe, bis zu dem Song, den ich schreibe, kurz bevor ich sterbe. Mein Werk soll eine große Reise werden, die die Leute erkunden sollen, wenn ich tot bin. Wenn sie es schon tun, während ich noch lebe, ist das aufregend, aber ich muss mich auf die Reise konzentrieren und darf mich nicht ablenken lassen.“ Da bleibt keine Zeit für öffentliche Auftritte. Doch als Wolf sich verabschiedet, sagt er: „In zwei Jahren sehen wir uns wieder und reden über mein neues Doppelalbum.“ Später am Abend, beim fantastischen Konzert, als er sich seine rote Perücke vom Kopf reißt und ein schwarzer Schopf zum Vorschein kommt, der nach einem gewagten Rasier-Experiment aussieht, ist er schon wieder ein ganz anderer.

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