Die mittlere Reife

Mit „21“ entwickelt sich die britische Soul-Sängerin Adele musikalisch weiter und bleibt doch auf wunderbare Weise der Tradition verbunden.

Für irgendwas muss ja selbst Sarah Palin gut sein. Wenn Adele im Oktober 2008 nicht mit zwei Songs in derselben „Saturday Night Live“-Ausgabe gelandet wäre wie die Möchtegern-Präsidentin, hätte sie ihr Weg in den USA vielleicht doch nicht gleich zu den zwei Grammys fürs Debütalbum „Chasing Pavements“ geführt. Auch Rick Rubin hatte einen Platz in der TV-Show-Institution geordert, später begutachtete er noch ein Konzert der Kandidatin in der Hollywood Bowl. „Ich war schon ziemlich baff, als er mich danach fragte, ob ich eine Platte mit ihm machen möchte“, erinnert sich Adele.

So ging es mit Rubin ins Studio nach Malibu. Was Adele zunächst prima fand, weil sie daheim in London doch zu viel Ablenkung in Gestalt alter Freundinnen und langer Disco-Nächte fürchtete. Aber so wenig Ablenkung wie in Kalifornien, wo „alle hinter verschlossenen Toren leben und nichts gleich um die Ecke ist“, war für die latent aufgekratzte 22-Jährige dann auch nichts. „Ich saß ziemlich in der Falle. Aber vielleicht hatte das auch was Gutes. Denn im Studio kam ich so doch gleich viel besser rüber als gequälte Seele.“ Ein irres Lachen, ansatzlos und dreckig.

Es passt zu einer jungen Frau, die zwar inzwischen bei Mama ausgezogen ist, aber immer noch einfach so daherredet wie das quirlige Mädchen von nebenan aus Tottenham. Was auch schon mal irreführend sein kann. Frühe Erzählungen über einen Tourbusfahrer aus Nashville, der ihr das Einmaleins der Country-Musik nahebrachte, und ihre frisch entfachte Passion für Rockabilly-Wuchtbrumme Wanda Jackson hätten einem suggerieren können, das neue Album „21“ sei eine Roots-Affäre geworden. Von „aus dem Kontext“ gerissenen Zitaten spricht Adele nun, und tatsächlich erinnert nur die biedere AOR-Ballade „Don’t You Remember“ entfernt an Americana.

„Bei meiner ersten Platte war ich ein naiver Teenager, der schon alles zu wissen glaubte“, so Adele. „Ich dachte damals auch, ich wäre die beste Freundin der Welt – aber ich war eine der lausigsten.“ Wieder dieses Lachen. Wir müssen natürlich noch über den Titel reden, der ja eine schöne Tradition aus den späten 60er-Jahren aufgreift, als Bands ihre Alben einfach durchnummerierten statt über bedeutungsschwangeren Cover-Slogans zu brüten. Adele hasste zunächst die Idee, es „21“ zu betiteln – weil das nur zeige, dass sie „absolut keine Fantasie“ habe. „Das Debüt war ja einfach ein musikalisches Polaroid einer Zeit – aber ich hätte das neue Album nicht, 21′ genannt, wenn ich nicht das Gefühl gehabt hätte, persönlich wirklich einen Riesensprung gemacht zu haben.“

Und das nächste Album heißt dann wohl … „45!“ Sagt’s und lacht noch mal so unglaublich dreckig. Sollte natürlich ein Witz sein.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates