Die Momentaufnahme

Auf Tour, um das neue Werk "The Dropper" vorzustellen? Im Grunde schon, aber MEDESKI, MARTIN AND WOOD setzen stattdessen auf Improvisation.

Seit fünfMinuten versenken sich die drei hemdsärmeligen Gestalten auf der Bühne schon in wüst experimentelle Klänge, aber Erlösung naht: Ganz langsam schält sich ein tanztaugliches Bassriff aus dem Gewaber, das von scharfen Clustern zerschnitten wird, wenn John Medeski die Tasten seines Gavinets mit dem Unterarm traktiert. Handbuchgemäßer Umgang mit Mellotron und B3 ist des Keyboarders Sache nicht. Dafür versteht er viel von Sounds und der Erzeugung unwiderstehlicher Grooves – ohne Rückgriff auf die klassischen Klischees vieler Hammondorgel-Spieler.

Mit ihrem Grunge-Jazzfunk und endlosen Improvisationen statt gängiger Harmoniewechsel haben sich die tapferen on-the-road-Musksäere ein treues US-Publikum erspielt. So treu, dass sich 17 Labels um das Trio bemühten, als ’96 dessen Vertrag mit Gramavision auslief. „Keine besondere Ehre. Die wussten, wie unerschütterlich unsere Fans zu uns stehen. Aber Bruce Lundvall von Blue Note hatte sich schon zwei Jahre früher für uns interessiert. Für ihn zählte die Musik. Für uns die Freiheit, unser Ding durchzuziehen*‘, erläutert Medeski den Wechsel der Band ins Lager von Herbie Hancock und Greg Osby. Und tatsächlich: Das Label steht zu seinen Exoten, obwohl schon das Livealbum „Tonic“ – ’99 akustisch im gleichnamigen New brker Club eingespielt – keine leichte Kost war und „The Dropper“ prompt mit einem Klanggewitter beginnt, bei dem mancher Heavy-Metal-Fan den Kopf einziehen dürfte.

Auch die Gemeinde um andere Jam-Bands wie Phish oder Grateful Dead dürfte am „Dropper“ zu knabbern haben: Die Deads am HipHop-Einschlag (Co-Produzent war Scotty „Wu-Tang Clan“ Hard), die Fische daran, dass der Einfällsreichtum von John Medeski jedem, der Keyboarder wie Page McConnell für große Improvisatoren hält, eine Horizont-Erweiterung um mindestens 180 Grad aumötigt. MM&W sind Monster des Spontanen. „Wir machen Musik aus dem Moment für den Moment“, beschreibt Medeski die Marschrichtung. „Am besten sind wir, wenn sich unsere Musik auf der Basis jahrelanger Vertrautheit ganz aus sich selbst heraus entwickeln kann.“

Verdammt vertraut wurde sich das Trio, als es sechs Jahre lang im Campingbus Metropolen und Provinz eroberte. „Wir haben sogar unsere Appartments in New brk aufgegeben“, erzählt Chris Wood, „aber mittlerweile kennen wir wieder ein Leben jenseits der Musik.“ Drummer Bill Martin ergänzt: „Vor allem, seit ich ein Kind habe und Chris‘ Frau eines erwartet“ Vielleicht wird aus dem Trio eines späten Tages doch noch ein Quintett.

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