Die Rolle im Leben

Als Schauspielerin erhält HEIKE MAKATSCH längst viel Respekt. Nun kommt das oft missverstandene Ex-Girlie mit "Nackt" ins Kino

Bei „BRAVO TV“ ist sie abgeblitzt. Niemand von der Teenie-Sendung, die Heike Makatsch immerhin einige Zeit moderierte, wollte mit ihr über ihren neuen Kinofilm „Nackt“ reden. Am Titel oder Thema scheiterte es nicht. Makatsch ist den Zielgruppenmachern heute schlicht zu alt.

„Ich bin ja jetzt 30“, sagt Makatsch wenige Tage vor ihrem 31. Geburtstag und gesteht ohne Zögern, zu der heutigen Jugend auch keinen Draht mehr zu haben. „Ich glaubte immer, ich würde mich noch so anziehen wie die richtig jungen Leute. Aber kürzlich ging ich in eine Londoner Disco, da waren nur 17- und 18-Jährige – das war der Hammer, so einen Schlag habe ich selten abbekommen: Ich fühlte mich wie meine eigene Großmutter!“ Sie lacht, als könne sie die Erkenntnis noch immer kaum fassen. „Die sahen so völlig anders aus, nicht nur modisch, auch von der Frische her.“ Schmeicheleien wischt sie beiseite. „Setzt dich mal unter Teenies, dann siehst du auch alt aus. Wir sind so weit weg. Das merkt man jetzt nur nicht“

Dabei war sie mal ganz nah dran – behaupteten zumindest Trendtaktiker, die „mich gerne zu jenem Teenie-Vorbild machten, das zur Vermarktung eines Medienproduktes passte“, wie Makatsch meint. Mit 22 wurde sie die erste Musikclip-Ansagerin bei VIVA und rasend zum „Berufs-Girlie der Nation“. Frische attestierte man ihr damals auch, weil sie plapperte wie auf dem Schulhof. Spontaneität, Natürlichkeit, Frechheit nannten das die einen lobend, einige wollen sogar Ironie erkannt haben. Andere nahmen sie nicht ernst, was natürlich auch blieb, wenn auf Abitur und Studium der Soziologie verwiesen wurde. Sie war angreifbar, weil sie nie wirklich greifbar war. Alles an ihr wirkte unverfänglich. Sie entsprach nie den Klischees, mit denen allgemein Sex-Appeal, Coolness oder Intellekt gekoppelt sind. Eigentlich stand sie für nichts außer sich selbst.

Dadurch war sie jedoch eine ideale Projektionsfläche für jede prägnante Idee, die den Medien gefiel, auch in der Luft lag und zugespitzt wurde. Sie hatte ja Erfolg, also musste sie irgend etwas repräsentieren. Es wurde die so genannte Girlie-Bewegung. Ein „Phänomen“, so Makatsch, „aus jungen Frauen mit blond gefärbten Haaren, kurzen Röcken und schweren Stiefeln, das sie mit diesem Label in Amerika unter einen Hut zu bringen versuchten. Da haben sie hier wohl gedacht, so eine könnten wir medial auch gebrauchen, die Makatsch ist doch ebenfalls blond und trägt einen Mini.“ Und obwohl sie erzählt, bei ihr wären sofort „alle Warnantennen hochgegangen, als ich anfing öffentlich zu arbeiten“, und dass die „Diskrepanz zwischen mir und meinem Image“ sie erst irritierte, schließlich lästig wurde, hat sie es auch mit zementiert. Sie erklärte mal, „die jungen Zuschauer sehen in mir so was wie die große Schwester“. Den „Girlie-Stein ins Rollen gebracht“ habe jedoch ein Gespräch im „Spiegel“, wo sie sich mit „noch zwei jungen Damen“ stellvertretend über die Mädchen ihrer Generation geäußert hatte. „Auch wenn das dem Lebensgefühl vielleicht so entsprach, war schon jugendliche Ignoranz dabei zu sagen, ich bin glücklich als Frau, weil der Mann mir zwar beim Radwechsel hilft, ich ansonsten ja die gleichen Rechte und mich nie benenachteiligt gefühlt habe, da ich das als selbstverständlich ansehe, basta. Das würde ich nicht mehr so forsch sagen.“

Uns Jungs war das egal, wir standen ohnehin nicht so auf Heike. Dafür zeterte Alice Schwarzer. Durch solches postfeministisches Tralala sah die Tante Emma ihre Emanzipation bedroht, entschloss sich aber dann doch, mit dem Girlie medienwirksam auch die Teenies zu umarmen. Makatsch indes machte nicht mit, so wie sie nun „öfter die Trotzbremse einlegte“. Von Distanz zur Branche hat sie oft gesprochen, obwohl ihr das nie anzumerken war bei ihrer nach außen hin penetranten Fröhlichkeit, dass sie authentisch bleiben wolle, nicht „etwas ausfüllen, das mir aufgedrängt wird, weil es gut verkäuflich ist, ich mich aber damit nicht identifiziere“. Sie habe nie „zielstrebig geplant, immer gut selektieren wollen, um mich weiter zu entwickeln“. Der erste Versuch schlug fehl: „Heike Makatsch – Die Show“ wurde bald abgesetzt. Sie pausierte gut ein Jahr. Und dann kam alles anders.

Detlev Bück wollte sie für die Komödie „Männerpension“, und da „er es mir zutraute und meine Mutter ihn toll fand, habe ich es halt probiert“. Mitderweile hat sie ein Dutzend Filme gedreht, mit Regisseuren wie Peter Sehr, Max Färberböck oder Wolfgang Becker gearbeitet, den Bayerischen Filmpreis und Telestar erhalten sowie für ihre Rolle in „Die Affäre Semmeling“ von Dieter Wedel die Goldene Kamera. Es ist stiller um sie geworden, sie selbst wirkt ruhiger. Respekt kann einen gelassener machen als Ruhm, auch wenn sie manchen ihrer Filmen mehr Kassenerfolg gewünscht hätte, „ich drehe ja nicht für den Keller“. In „Nackt“, wofür Doris Dörrie aus ihrer geblümten Frauenzeitschriften-Larmoyanz wieder einen Beziehungskrampf verdichtet hat, gehört sie jetzt zu drei Paaren, deren Abendessen nicht nur seelisch im Striptease endet. Allein Makatsch bleibt zugeknöpft. Dafür zeigte sich in „Gripsholm“ schon mal sehr freizügig.

Dass ihre Nachfolgerinnen bei den Musiksendern bereits als Teenager halbnackt vor der Kamera posieren, mag sie nicht verurteilen. „Auch wenn man älter wird, sollte man nicht mit altbackenen Sachen anfangen wie: Oh Gott, die zeigen schon mit 17 ihren BauchnabeL, haben keine Inhalte und kennen Deep Purple nicht mehr.“ Obgleich: „Da es fehlt an Subkultur, alles wird abgeschöpft und gleichgeschaltet.“ Langweilig findet sie auch Hollywood. Lieber würde sie in England filmen. Zwar ist sie seit fünf Jahren mit Daniel Craig („Road To Perdition“) liiert, hat jedoch kaum Hoffnungen: „Mein Markt- oder Wiedererkennungswert ist dort einfach null.“

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