Die Zigarette – danach

Das eigentliche Problem bei der Debatte um das Rauchverbot: Eigentlich ist das Rauchen ja nie wirklich erlaubt worden.

Ist Rauchen eigentlich irgendwann mal erlaubt worden? Wurde das je öffentlich erklärt, so in der Art: „Vom i. Juni 1884 an darf in allen Gaststätten Elsass-Lothringens unter allen Umständen geraucht werden, ganz besonders gern in nicht abgetrennten Räumen und unbedingt auch da, wo Essen serviert und verzehrt wird“? Als sich im März die Ministerpräsidenten und im Mai der Bundestag auf ein nach und nach greifendes Rauchverbot in deutschen Verkehrsmitteln, öffentlichen Gebäuden, Kneipen und Oktoberfestzelten einigten, als gleichzeitig die Empörung über dieses Verbot zum Höhepunkt kam, da war es vor allem eine bestimmte Tatsache, die den Rauchern das Protestieren so schwer machte: dass sie sich im Prinzip auf nichts anderes berufen konnten als auf ein Gewohnheitsrecht, auf ein jahrhundertelanges Gelduldet-Werden. Wie man daraus einen Anspruch herleiten sollte, das war gefühlsmäßig kaum zu vermitteln.

Man hätte es sich irgendwann schriftlich geben lassen sollen, möglichst Mitte der Siebziger, als in Talkshows wie ,Je später der Abend“ noch ganze Automaten weggeraucht wurden, etwas, das heute nur noch der damalige Kanzler Helmut Schmidt darf, obwohl er damit Reinhold Beckmanns Recht auf körperliche Unversehrheit beschneidet.

Genau diese Selbstverständlichkeit führte ja auch dazu, dass sich eine der absurdesten Gruppierungen der Menschheitsgeschichte bildete: die Nichtraucher, eine Lobby, oft verächtlich „militant“ genannt, zu der man automatisch dann gehört, wenn man eine bestimmte Kulturtechnik eben nicht anwendet. Wie die Nicht-Brokkoli-Esser und die Nicht-„Prison Break“-Gucker. Diese Nichtraucher, die so lange auch Nichtstuer gewesen waren, obwohl man schon in den 30er Jahren den Zusammenhang zwischen Zigaretten und Lungenkrebs und spätestens in den Achtzigern die Gefahren des Passivrauchens kannte – dass diese Nichtraucher also fantastilliardisch viele Zigarettenlängen zu spät plötzlich so überaktiv wurden, Fotos von kaputten Lungen auf die Packungen drucken und, zumindest in Kalifornien, das Rauchen sogar in Privatwohnungen verboten haben wollen: Das hat Gründe, ist insgesamt aber genauso massiv unglaubwürdig wie das Nikotin-Faustrecht. An jedem Bahnhof und Flughafen hören wir heute die Durchsagen, die uns daran erinnern, dass man hier ja eigentlich rauchen könnte, wenn es nicht verboten wäre. Auf immer größer werdenden Verbotsschildern sehen wir schlanke Zigaretten, deren Qualm sich grazil zwischen dem roten Durchstreichbalken hindurchkräuselt. Es ist ein bisschen wie bei den Leuten, die hässliche Vögel vertreiben wollen und sich deshalb noch hässlichere Plastikvögel ins Fenster hängen: Das Rauchen war in der Öffentlichkeit noch nie so präsent wie im vergangenen Jahr. Wenn das so weitergeht, wird es vielleicht irgendwann sogar wieder cool.

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