„Dieses leichte Leiden, dieses Klagen“

Konstantin Wecker wurde in seiner Jugend schwach, wenn er die Stimme des Tenors Jussi Björling hörte.

Bei uns zu Hause drehte sich alles um klassische Musik. Mein Vater war Opernsänger – kein berühmter, aber ein sehr guter Tenor. Ich hatte früh mit dem Singen begonnen, vor allem Damenpartien, und war eine überragende Traviata! Zu Hause hörten wir vor allem die klassischen italienischen Tenöre, das war eine Leidenschaft, die ich mit meinem Vater teilte.

Irgendwann, ich war 15 oder 16, kam mein Vater zu mir und sagte, dass ich mir Jussi Björling anhören müsse. Das ist wahrscheinlich der beste Tenor der Welt. Ich war sofort völlig fasziniert von dieser Stimme. Dieses Timbre! Schon damals habe ich bei ihm das Musikantische gespürt – es heißt, er war schon als Knabe mit seinem Vater und seinen Brüdern in einer Sängertruppe unterwegs, sodass er mit 18 schon ein gut ausgebildeter Tenor war.

Die klassische Stimme klingt oftmals etwas „gekünstelt“. Sie ist ein Kunstwerk, das dadurch entstand, dass man früher ohne Mikrofon die Stimme oft über Hunderte von Menschen hinweg transportieren musste. Bei Björling höre ich die nackte Seele. Immer, wenn mich eine Stimme anrührt, habe ich das Gefühl, ich blicke dem Sänger direkt ins Herz. Ich spüre seine tiefste Seele. Es rührt mich einfach, dieses leichte Leiden, dieses Klagen.

Ich habe das später auch bei anderen Stimmen entdeckt, zum Beispiel bei Janis Joplin. Ich lernte, dass man auch auf eine andere Art singen kann, so schön die Klassik ist. Das hat mich sehr geprägt. Ich habe begriffen, dass ich für meine Art Musik nicht Jussi Björling nachahmen, sondern meine Musik anders interpretieren muss. Dennoch hat mich seine Stimme mein ganzes Leben begleitet. Ich habe ihn leider nie live erlebt oder persönlich kennengelernt. Doch Jahre später schloss sich der Kreis, als mir Marianne Schech (Sopranistin und Gesangsprofessorin aus München) von ihm erzählte. Sie hatte mit ihm in London gesungen und erlebt, wie unterschiedlich Björlings Auftritte sein konnten. Er war wohl Alkoholiker, und manchmal ist er im Rausch auf die Bühne gegangen. Aber manchmal waren seine Aufführungen auch göttlich.

Mit seinem Album „Wut und Zärtlichkeit“ ist Konstantin Wecker zurzeit auf Tour. Die aktuellen Daten gibt’s auf www.rollingstone.de .

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