Dschungel-Camp: Schule der Moralität

Weshalb "Ich bin ein Star ..." zu Recht für den Grimme-Preis nominiert ist

Welche der folgenden Sendungen werden von den öffentlich-rechtlich Sendern gezeigt – und welche von den privaten?

„Joko gegen Klaas – Das Duell um die Welt“
Stuckrad-Barre
„Roche und Böhmermann“
„Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“
„Ausflug mit Kuttner“

Es ist schwer zu entscheiden. Vor Jahren war es eine Sensation, als die „Harald-Schmidt-Show“ mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde – aber das ließen Studienräte und Fernsehkritiker gelten, weil Schmidt das Feuilleton kennt und bildungsbürgerliche Gemeinplätze ironisiert, also etwa Schiller aus dem Reclam-Heftchen vom Publikum deklamieren lässt, Kulturjournalisten in den Swinger-Club schickt und Schauspieler für das bedeutungsvolle Vorlesen versauter Witze bezahlt.

Schmidt war bei „Schmidteinander“ und sogar bei „Verstehen Sie Spaß?“ der Erste, der die Fallhöhe zwischen aufgeklärtem Bewusstsein und Trash-Fernsehen und Volksverdummung zu einer Gala des Sarkasmus nutzte, damals übrigens in der ARD. Auch moderne Figuren wie Gottschalk und Jauch verließen nie den Konsens ihrer Sendungen; ein „lockerer Spruch“ galt vor 20 Jahren als unbotmäßig. O la la! Und der Abgrund waren „Tutti frutti“ und „Dall-As“.

Harald Schmidt machte ernst mit dem Spaß, gewann alle Preise und scheiterte mehrfach; heute kann es ihm egal sein. Auch bei Stefan Raab wurde die Nase gerümpft, bis er mit amüsanten neuen Formaten zumindest die Unterhaltung neu definierte. Auch er gewann Preise, darunter den Grimme-Preis. Diese Auszeichnung gibt es seit 1961, was schon anzeigt, dass die Gründerväter nicht voraussehen konnten, mit welchem Fernsehen es der Preis einmal zu tun haben würde. Der Grimme-Preis hatte bestimmt einen didaktischen Auftrag – „Der große Preis“, „Die Pyramide“, vielleicht auch „Aktenzeichen XY“ hätten also ausgezeichnet werden müssen, vielleicht „Dalli-Dalli“, immer wieder „Scheibenwischer“. Aber der „Tatort“ mit Götz George? Der ehedem umstrittene erste Schimanski-Film „Duisburg Ruhrort“ gilt heute als Meisterwerk. Die Fernsehfilme von Egon Monk und Oliver Storz, die großen Serien wie „Rote Erde“ und „Heimat“, die gerichtsähnlichen Befragungen von Günter Gaus gibt es nicht mehr. Kein Mensch könnte „Berlin Alexanderplatz“ durchstehen. Die Grimmepreiswürdigkeit hat sich mithin verschoben.

Bleibt also Qualitätsfernsehen wie „Blaubleerblau“, bleiben ein paar „Tatorte“ und „Polizeirufe“, bleibt der im NDR versteckte „Tatortreiniger“. In der Kategorie „Unterhaltung“ wurden die fünf oben aufgeführten Sendungen nominiert, die allesamt einen guten Teil Krawall enthalten und von Menschen unter 40 Jahren produziert werden. Man könnte auch sagen: Alles, was das deutsche Fernsehen jenseits des Tier-Quiz mit Jörg Pilawa an Zerstreuung zu bieten hat, steht auf der Liste. Und die Off-Texte und Moderationen im Dschungel-Camp sind das Amüsanteste, Gescheiteste und Gemeinste, was in diesem Jahr im Fernsehen zu hören sein wird. Abgesehen davon, dass die Reihe zur Schule der Nation geworden ist: Fragen der Moralität werden überhaupt nur noch im Umfeld dieser Prüfungen leidenschaftlich verhandelt. Den Preis gäbe es also zu recht.

Ansonsten sind wir für Stuckrad-Barre.        

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