DVDs von SPORTFREUNDE STILLER und TOCOTRONIC zeigen die Nord-Süd-Unterschiede im deutschen Gitarrenpop

Man kann es nicht besser ausdrücken ab der Sänger Schorsch Kamerun. Kamerun steht im Jackett und im oben weit offenen Hemd neben seinem Trailer im Backstage-Bereich des Salzburger „Frequency“-Festival, eben hat ihm ein Bediensteter der Sportfreunde Stiller das Mikro und die Frage hingehalten, was er sich denn vom Auftritt der Sportis erwarten würde. „Irgendwie ’ne Rockband, die auch noch so im Independent-Bereich daherkommt.“

Der Widerspruch, dass eine deutsche Indie-Band eigendich nicht auf der großen Bühne kurz vor Piacebo auftreten kann, ist natürlich keiner mehr, aber Kamerun fühlt ihn noch. Und wer die Sportfreunde Stiller (die schon längst nicht mehr im strengen Sinn indie sind) noch mit selbstgepressten Platten auf Jugendhaus-Bühnen erlebt hat, fühlt ihn vielleicht auch und schämt sich dafür. Denselben Phantomschmerz, den manche kriegen, wenn sie Tocotronic bei „Top Of The Pops“ sehen, angesagt von Schmierlappen, die hintenrum dann urteilen, dass die ja gar nicht spielen können. Beide Trios haben jetzt die erste DVD herausgebracht, wunderschöne, geldwerte Pakete mit allen Videoclips, Konzert- und Backstagefilmen, aussagekräftige Selbstporträts.

Wer es noch nicht wusste, der weiß nach dem Anschauen beider DVDs, dass Rock-Indie-Bands (also nicht. Indie-Rock-Bands) backstage nie ein Filmteam dabei haben, sondern die Videokamera eines Freundes, und dass Aufnahmesessrons so ablaufen, dass sich die Musiker einen kleinen Bus mieten, irgendwohin ins Ausland fahren und dort in einem ebenso kleinen Haus ihre Instrumente aufbauen. In den Freistunden laufen die Germeringer Sportfreunde Stiller dann ohne Hemden durch die Landschaft, kneifen sich Kronkorken vor die Augen oder setzen (bei der Tournee nach Usbekistan) lustige Perücken auf.

Die Hamburger Tocotronic schlurfen nur ein wenig ums Haus herum, behalten die T-Shirts an. Das einzige Mal, dass sich hier jemand direkt an die Kamera wendet, ist eine Szene mit Produzent Carol von Rautenkranz, der widerwillig erklärt, wie es weitergehen wird mit den Aufnahmen. Das könnte schlicht daran liegen, dass die Tocotronic-Sessions im Winter stattfanden, die der Sportfreunde im Sommer. Trotzdem manifestiert sich im DVD-Vergleich das Nord-Süd-Gefalle im deutschen Gitarren-Pop, vor allem, was den Humor betrifft.

Der Sportfreunde-DVD „Ohren zu und durch“ ist unter anderem zu Gute zu halten, dass die nasstrübe Stimmung eines Festival-Tages selten so gut eingefangen wurde wie bei ihrem Konzertfilm, der zum Teil mitten aus dem Publikum gedreht wurde, zwischen Mädchen mit halb gerauchten Zigaretten und wursthaarigen Camping-Typen. Der Höhepunkt auf Tocotronics „lOth Anniversary“-Disc (die eine Audio-CD mit Raritäten enthält) spielt in einem dämmrigen Club in Wien, wo die Band 1994 eine Lo-Fi-Performance gibt Wo man ihnen den Stolz anmerkt, dass sie 30 Österreicher zum Durchdrehen bringen.

Acht Jahre später machen sie sich einen Privat-Gag daraus, zum Playback mit vertauschten Instrumenten zu mimen. Sportfreunde-Peter dagegen ruft den Festival-Gästen zu: „Wir wollen euch alle springen sehen!“ Und sie springen, und wie.

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