Eigenem Können misstrauen

Bei Plattenaufnahmen sind I MOTHER EARTH so selbstkritisch, dass der Bassist im Studio dem großen Vorbild Platz machen muss

Unter Freunden muss auch mal ein Scherz erlaubt sein – selbst wenn es um solch schwierige Themen wie das dritte Album von I Mother Earth geht. Die Kanadier, in ihrer Heimat Mehrfach-Platin-Stars und vielfache Träger aller nur möglichen Preise, mussten sich vor den Aufnahmen zu „Bitte Green Orange“ von ihrem Sänger verabschieden – für Bassist Bruce Gordon „die komplizierteste Situation für eine Band und gleichzeitig ein großartiger Neubeginn. Wir sind wieder viel frischer.“ Worauf Neuzugang Brian Byrne prompt ergänzt: „Ich bin ja auch zehn Jahre jünger als die anderen, das hilft da bestimmt!“

Tatsächlich scheint es, als wüssten I Mother Earth ganz genau, wo sie hingehören – in der riesigen Grauzone zwischen Hardrock und Hippie-Psychedelic klingen sie bunter denn je. Dabei wäre ihnen Brian beinahe durch die Lappen gegangen, so Bruce: „Wir haben ewig nach einem neuen Sänger gesucht Es schneiten uns Tonnen von Tapes ins Haus, und anscheinend haben wir Brians zuerst weggeworfen. Zum Glück aber wies uns beim zweiten Durchgang ein alter Freund darauf hin, dass wir doch bitte mal genauer hinhören sollten.“

Nun beschwören die vier die hohen Werte der Freundschaft, des gemeinsamen Abhängens und Biertrinkens. Für Brian, dessen Lieblingsband – was für ein Zufall – I Mother Earth hieß, ging ein Traum in Erfüllung, „so kitschig das ja auch klingen mag.“ Dann baute man sich noch ein eigenes Studio, um „mehr Zeit für weniger Geld“ zu haben. Drei Jahre für jedes Album müssen’s schon sein. Die ulkigen Texte auf Jtlue Green Omnge“stammen wieder einmal von Drummer Christian Tanna. Der Trommler als Lyriker was dabei herauskommt, sind so Titel wie „When Did You Get Back From Mars?“ und „Gargantua“. „Christian ist halt durch und durch Hippie“, entschuldigt sich Bruce. „Wir wissen auch öfters nicht, woran er wohl wieder gedacht hat. Er gibt sich unendlich viel Mühe, er liest eine Menge Bücher, und am Ende kommen meist Lyrics dabei heraus, die zwar keine Sau versteht, die aber intelligent klingen und zu unserer Musik passen.“

Dass auf dem Song „Sule“ Geddy Lee Bass spielt, ist nur logisch: IMO sind große Art-Rock-Liebhaber; somit natürlich auch Rush-Fans, und es war ihnen eine Ehre, den Meister im Studio zu empfangen, nachdem sie ihn „gar nicht so lange“ mit Anrufen nerven mussten. Brian hat allerdings eine vollkommen andere Erklärung für das Mitwirken von Lee: „Bruce ist einfach nicht gut genug.“

Bei so viel Vertrauen (man kann es auch gesundes Misstrauen nennen) in die gegenseitigen Fähigkeiten scheint die Zukunft von I Mother Earth noch auf lange Zeit gesichert

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates