Ein Kauz kehrt zurück

Nach zehn Jahren erscheint endlich wieder ein Roman von William Kotzwinkle in Deutschland. Die Zeit der Kinderbücher mit furzenden Hunden ist vorbei.

Ich bin Fan. Ohne wenn und aber. Von William Kotzwinkle. Zugegeben, der Name hört sich etwas punkig an. Nicht, wenn man ihn amerikanischausspricht: Katzwinkl. „Als ich zum ersten Mal mitgekriegt habe, wonach das klingt im Deutschen – puke corner -, da war ich peinlich berührt.“ Kotzwinkle verzieht den Mund zu einer breiten Grimasse. „Aber andererseits, ich stehe dazu, es ist der Name meines Vaters.“ Wahrscheinlich schrieb der Einwanderungsbeamte auf Ellis Island den Namen so, wie er ihn amerikanisch schreibt, wenn er Katzwinkel hört, mit o. Katzenwinkel, das bedeutete im Altdeutschen „kleiner Winkel“. Dort hatten die Vorfahren wohl ihren Wohnsitz, und danach wurden sie genannt. Kotzwinkle sieht auch einen Vorteil: „Den Namen merkt man sich – ein Jones wird schneller vergessen.“

Haben Sie jemals „The Fan Man“ gelesen? Wenn Sie jetzt sagen, ich weiß nicht, ich kann mich nicht erinnern, dann heißt das: nein. Jeder, der „Fan Man“ gelesen hat, kann sich auch nach 30 Jahren daran erinnern. Der Fan Man, Horse Badorties, ist Komponist für Neue Musik und rennt einen heißen Sommer lang durch New York, um minderjährige Mädchen zu finden, die sein Chorwerk für 30 Jungfrauenstimmen und ebenso viele japanische Taschenventilatoren (fans) aufführen sollen. Schon allein der Ausgangspunkt seines Vorhabens ist einfach unvergesslich: „Da vorn, Mann, seh ich nen Brunnen, Mädels drum rum, Mann, heiße Höschen, abgeschnittene Bluejeans, lange Haare, Perlenketten, und ich geh die steinernen Stuten zum Brunnen runter, um den sich die ganzen Mädels versammelt haben, Arsch Titten Pussy fürn Liebeschor.“ Der „Fan Man“ erschien 1971 und machte William Kotzwinkle als kauzigen Außenseiter der amerikanischen Literaturszene berühmt.

Zwischen William Kotzwinkle und der von Menschen bewohnten Welt liegt auf der einen Seite ein Wald, fünf Kilometer Schotterweg bis zur Teerstraße, auf der anderen Seite der Atlantik. Der Schriftsteller hat sich vor 23 Jahren auf einer Insel vor der Küste von Maine ein Haus gebaut, das ihm ein Außerirdischer finanziert hat. Der kleine Professor für Botanik vom Grünen Planeten brachte Kotzwinkle Geld und Ruhm, der zum Teil auf einem Missverständnis beruht: „E. T.“ war gar nicht Kotzwinkles Erfindung und im eigentlichen Sinne auch keine Science-fiction-Geschichte, denn Film und Roman spielten in der Gegenwart (1981). Kotzwinkle fand ihn von Anfang an unwiderstehlich: ,“E. T.‘ war die bezauberndste Figur, die seit vielen, vielen Jahren in Hollywood entstanden war.“

Wenn William Kotzwinkle über seinen Anteil am Zustandekommen des Bestsellers spricht, klingt großer Respekt für die Kulturgut

beiden Menschen durch, denen erden Erfolg verdankt: dem Regisseur Steven Spielberg und der Drehbuchautorin Melissa Mathison. Sie hat „E. T.“ erfunden. Spielberg hatte Kotzwinkles Novelle „The Fan Man“ gelesen und wollte unbedingt, dass er die Romanfassung nach Mathisons Drehbuch schreibt, ohne den Film gesehen zu haben. Buch und Film kamen dann auch am selben Tag in die Buchhandlungen und Kinos. Der Roman stand ein Jahr auf den Bestsellerlisten, davon sechs Monate auf Platz eins. Danach war William Kotzwinkle ein reicher Schriftsteller.

Das liegt jetzt 25 Jahre zurück, der „Fan Man“ gar 35. Seither hat Kotzwinkle über zwei Dutzend Romane, noch mehr Kinderbücher, vier Sammlungen mit Kurzgeschichten und Drehbücher nach eigenen Romanen geschrieben. Auf deutsch erfolgreich waren neben dem „Fan Man“ vor allem der Wissenschaftsroman „Dr. Ratte“, mit dem Kotzwinkle gegen Tierversuche wütet, und „Filmriss“, in dem die Hollywood-Produzenten von heute die Nationalsozialisten im Dritten Reich abgeben – und umgekehrt. Das letzte Buch auf deutsch, „Ein Bär will nach oben“, in dem ein Schriftsteller zum Bären wird, kam vor zehn Jahren heraus, ein Longseller in Deutschland, als Taschenbuch bereits in der sechsten Auflage.

Das alles weiß ich deshalb, weil ich inzwischen ein halbes Dutzend Kotzwinkle-Bücher ins Deutsche übersetzt und wohl mit größerer Spannung ais jeder Leser auf den neuen Roman gewartet habe. Zwischendurch hatte mir „mein Autor“ mitgeteilt, er sei nach seinen Erfahrungen mit diversen Verlegern nicht mehr bereit, den „Rummelplatz mitzumachen, in den sie diese einstmals wunderbare Kunstform verwandelt haben. Man muss Schreiben als spirituelle Erfahrung sehen“, belehrte er mich, „jede Erwartung darüber hinaus bringt einem nur Depressionen ein.“

Inzwischen zeichnet sich ab, dass William Kotzwinkles Ruf als Autor für die übernächste Generation bald nicht mehr von einem Außerirdischen, sondern von einem Hund geprägt wird: Im Sommer 2003 erreichte erstmals wieder ein Kotzwinkle-Buch die Spitze einer Bestsellerliste. Es hieß „Walter the Farting Dog“ (Walter, der furzende Hund), und stand auf Nummer eins bei den Kinderbüchern der „New York Times“. Inzwischen gibt es bereits die dritte Fortsetzung, mit Übersetzungen ins Spanische und Französische. Der erste Band wurde auch ins Lateinische übersetzt: „Walter Canus Inflatus.“ Kotzwinkle: „Kinder lieben furzende Hunde.“

Ende 2005 war die Wartezeit vorüber: Ein neuer Kotzwinkle-Roman sollte von mir übersetzt werden, „The Amphora Project“ („Das Amphora-Projekt“, Heyne Verlag). Was drinsteht? Wird nicht verraten. Nur so viel, dass Kotzwinkle sechs Jahre auf den Gebieten der Biophysik, der Botanik, der Entomologie, der Nano-Technologie und der künstlichen Intelligenz recherchiert und alle nur erreichbaren Nobelpreisträger ausgefragt hat. Außerdem ist er den neuesten Trends in der Schönheitschirurgie nachgegangen und hat versucht herauszufinden, welcher Wahnsinnstrieb uns Menschen auf die Idee bringt, unsterblich werden zu wollen.

Eine der Hauptfiguren ist ein dicker Weltraumpirat mit dem schönen Namen Commanderjockey Oldcastle, während sein Navigator, eine Rieseneidechse vom Planeten Serpentia, Lizardo heißt. Auch wenn sie es gar nicht beabsichtigen, gelingt es den beiden Abenteurern beinahe, das bekannte Universum zu vernichten. Dass sie es dann gerade noch retten – dafür können sie auch nichts.

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