Ein pädagogisches Projekt

Statt zur neuen Volksmusik beizutragen, will Hubert von Goisern jetzt zum Off-Beat mitklatschen lassen

Vielleicht ist der Hubert ja schlicht zu clever fürs Geschäft. Man wird jedenfalls erneut – und das nach sechs langen Jahren Pause – das traurige Gefühl nicht los, der Österreicher könnte ein zweites Mal an den eigenen Ansprüchen scheitern und kurz darauf seine Anhänger nötigen, dieses Schicksal zu teilen. Zunächst einmal: Hubert von Goisern hat wohl noch keine bessere Platte aufgenommen als „Fön“, sein jüngstes Werk. Und eben deshalb, weil ihm selbst so viel darauf noch neu und unerklärlich scheint, weiß er die Tat wieder einmal nicht zu bewerten.

Gegen das Einordnen wehrt er sich ja bekanntermaßen sowieso. Damit man dem einstigen Bombenleger im uniformen Heereslager der krachledernen Volksmusikanten nun keine allzu große Freude über seine geglückte Rückkehr anmerkt, mimt der Hubert den Skeptiker. Druckt in seiner Presse-Botschaft die miesesten Kritiken der letzten Jahre ab und gestaltet das farbenprächtige Werk dann so perfekt, wie sich das auch unter den großen Stars nur wenige leisten. Beifall will er dafür nicht, und auch für keine andere Leistung. Wenn man ihm ein profundes Lob aussprechen möchte, weil er inzwischen das österreichische eleganter singt als die Hamburger Schule deutsche Verse rappt, dann erzählt er lieber erst mal, wie lange er gebraucht hat, „bis ich mich überhaupt mit der Sprache halbwegs zurechtgefunden habe“.

Und dass ihm selbiges mit seinem Akkordeon „bis heute nur sehr manchmal“ gelungen sei.

Wir gehen da jetzt aber bestimmt nicht hin und trocknen seine Tränen. Wir haben ja die Platte gehört, die garantiert schon bald einen Haufen Gegner haben wird und auf der anderen Straßenseite Gaffer und auch hellauf Begeisterte. Seither ist uns das Nachbarland so fremd wie nie zuvor. Das Schlimmste dabei: Wir wissen nicht so recht, warum. Und Hubert kann’s uns nicht erklären. Sagt zwar, dass er „noch nie in der freien Natur, also zum Beispiel oben auf einem Berg“, das Dichten angefangen hat, weil ja die Natur eine abgeschlossene Sache ist, „und der muss niemand noch was hinzufügen“. Nein, der Hubert setzt sich in den Bus oder die Straßenbahn, wenn ihm drei Strophen fehlen bis zum nächsten Lied.

Er hält sich für einen urbanen Menschen, „weil ich ja ein Volksmusiker im traditionellen Sinne auch nicht bin“. Also haben sich jene, die das zwar nicht so ganz glaubhaft finden, dem Hubert aber auch nicht immer widersprechen wollen, einen total blöden Begriff ausgedacht und ihn mit ein paar Kollegen, über die der Hubert selten spricht und wir deshalb nun gar nicht, in einen Karton mit der Aufschrift „Neue Volksmusik“ gesteckt. „Eine Erneuerung“, so sagt Hubert von Goisern daraufhin süffisant, „hat die Volksmusik ja nun ohne jeden Zweifel tatsächlich nötig. Ich weiß aber gar nicht, ob ich in diese Richtung überhaupt etwas bewirken möchte“. Die große Lücke, die in den unseligen Dreißigern und Vierzigern entstanden und danach nie wieder geschlossen worden sei, die sehe er im Jahre 2000 nun wirklich nicht als große Herausforderung. Kann sein, dass wir jetzt Obacht bei der Themenwahl geben müssen, sonst landen wir gleich wieder beim Haider. Gar so österreichisch muss ja über den Herrn von Goisern nun auch nicht immer berichtet werden.

Lieber nehmen wir noch mal den Querdenker ins Visier, den einstigen Revoluzzer, der heute noch aus Jux Journalisten per pedes auf Dreitausender-Berge kraxeln lässt, um ihnen da neue Lieder zu Gehör zu bringen. Vielleicht auch ein Ersatz, da doch der musikalische Affront zusehends schwerer zu erzielen ist. „Deshalb habe ich auch auf die Zutat Rock diesmal fast völlig verzichtet“, so von Goisern, „mein Ziel war heuer etwas feiner, ich wollte endlich einmal das österreichische und deutsche Publikum in seiner schwächsten Disziplin erwischen und zum Off-Beat mitklatschen lassen.“ Für ihn sei das fast ein pädagogisches Projekt gewesen. Und ein Tabu-Bruch – genau wie damals, als er mit dem Akkordeon in die Clubs kam „und den Leuten die Abscheu schon ins Gesicht geschrieben stand, wenn ich das Instrument bloß auspackte“.

Erlebnisse, die sich nicht wiederholen lassen. Weshalb das Schlechteste an von Goiserns neuem Album auch ist, dass keiner sich erst daran wird gewöhnen müssen. Auch wenn der Hubert sich anderes erhofft.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates