Eine Minute fehlt im Epstein-Video – Verschwörungstheoretiker rasten aus

Trump-Regierung wollte Fragen zum Tod des Sexualstraftäters Jeffrey Epstein klären – und warf versehentlich eine neue auf

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Am Montag veröffentlichten das Justizministerium und das FBI ein gemeinsames Memo mit dem Ziel, die Geschichte um den verstorbenen Sexualstraftäter Jeffrey Epstein endgültig abzuschließen. Darin wird beschrieben, wie eine umfassende Untersuchung zu denselben Schlussfolgerungen gelangte, die bereits bekannt waren, Epstein beging 2019 in einer Gefängniszelle Suizid, während er auf seinen Prozess wartete, und es gebe keine Beweise dafür, dass er eine „Klientenliste“ mit politischen Eliten und Prominenten führte, um diese wegen ihrer Beteiligung an seinem Menschenhandelsring zu erpressen.

Eine Minute, die alles verändert

Diese Antworten kamen natürlich bei einem bedeutenden Teil der MAGA-Basis nicht gut an – jener Teil, der fest davon überzeugt ist, dass Epstein von mächtigen Personen ermordet wurde, die er hätte belasten können, und dass es irgendwo ein Dokument gibt, das eindeutig beweist, dass diese an den gleichen Verbrechen beteiligt waren. Den Beamten im Weißen Haus war klar, dass sie Gegenwind von den verschwörungsgläubigen Unterstützern des Präsidenten bekommen würden. Was sie jedoch möglicherweise nicht erwartet hatten: Dass ein bestimmtes Detail im Abschlussbericht – fast elf Stunden Überwachungsmaterial aus dem Metropolitan Correctional Center in New York City von Epsteins letzter Nacht – zusätzliches Öl ins Feuer gießen würde.

Die Kameraperspektive zeigt teilweise einen Gemeinschaftsbereich der Einrichtung, wobei Epsteins Zellentür außerhalb des Bildes auf der rechten Seite liegt. Früh am Abend eskortieren ihn Wärter durch diesen Bereich in seine Zelle. Für den Rest der Nacht bis zum frühen Morgen ist niemand zu sehen, der sich seiner Tür nähert. Doch vielen Zuschauern fiel auf, dass es im Video einen scheinbaren Fehler gibt, als der Zeitstempel von 23:58 auf 23:59 Uhr springt – und dann scheinbar direkt auf 0:00 Uhr. Diese „fehlende“ Minute genügte natürlich, um Spekulationen auszulösen, ob das Justizministerium und das FBI womöglich einen entscheidenden Moment verheimlichten – und hofften, dass es niemand bemerken würde.

„Diese fehlende Minute sieht nicht gut aus und schürt nur noch mehr (Misstrauen) und Spekulationen“, schrieb der Betreiber eines beliebten MAGA-Verschwörungstheorie-Accounts auf X. „Wurde sie von den vorherigen Besitzern dieses Tapes gelöscht?“ Der rechte Kommentator Robby Starbuck veröffentlichte einen Beitrag über die „extrem bizarren Aspekte des Videos von Epsteins Zelle, das Pam Bondis Justizministerium als Beweis dafür freigab, dass ihn niemand getötet hat“, und wies auf den Zeitsprung hin. Podcaster Benny Johnson teilte den Clip ebenfalls mit seinem Publikum – über zwei Millionen Aufrufe. Unterdessen nutzten Trolle KI-Video-Tools, um Hillary Clinton, Bill Clinton und Bill Gates in das Filmmaterial einzufügen und scherzhaft zu behaupten, sie hätten die „fehlende Minute“ entdeckt.

Trump blockt, Bondi stammelt

Die Unklarheiten rund um die Zeitlücke führten dazu, dass Generalstaatsanwältin Pam Bondi am Dienstag bei einer Kabinettssitzung zu „offenen Fragen“ befragt wurde. Eine Reporterin wollte wissen, ob Epstein jemals für einen amerikanischen oder ausländischen Geheimdienst gearbeitet habe. Und ergänzte: „Könnten Sie außerdem sagen, warum eine Minute aus dem Gefängnisvideo fehlt?“ Noch bevor Bondi antworten konnte, unterbrach Trump. Und wich aus. „Reden Sie immer noch über Jeffrey Epstein?“, fragte er ungläubig. „Dieser Typ. Über den reden die Leute schon seit Jahren. Sie fragen – wir haben Texas. Wir haben dies. Wir haben all das. Und die Leute reden immer noch über diesen Kerl, diesen Widerling? Das ist unglaublich. Wollen Sie Ihre Zeit verschwenden. Möchten Sie antworten?“, fragte Trump Bondi. Die erwiderte, sie habe nichts dagegen.

Bondi sagte, sie habe keine Kenntnis darüber, ob Epstein für einen Geheimdienst tätig war. Und versuchte sich anschließend an einer wirren Erklärung, wie das Aufzeichnungssystem im Gefängnis funktioniere. „Die Minute, die im Video fehlt – wir haben ein Video veröffentlicht, das definitiv zeigt – das Video war nicht schlüssig. Aber die vorherigen Beweise waren es, dass er Suizid begangen hat“, sagte die Generalstaatsanwältin. „Es fehlte eine Minute auf dem Zähler. Und was wir vom Bundesgefängnisamt erfahren haben, ist, dass jedes Jahr – jede Nacht – dieses Video neu geschrieben wird. Es ist alt, aus etwa 1999. Also wird es jede Nacht zurückgesetzt. Und jede Nacht sollte dieselbe Minute fehlen. Wir suchen dieses Video ebenfalls. Um zu zeigen, dass jede Nacht eine Minute fehlt. Und das war’s zu Epstein.“

Eine Geschichte, die nicht endet

Doch wie Bondi und andere Regierungsmitglieder bereits erfahren mussten, ist es praktisch unmöglich, das Kapitel Epstein zu schließen. Nicht, wenn so viele Menschen an alternative Erzählungen glauben. Und fest entschlossen sind, seine Komplizen zur Rechenschaft zu ziehen. Es hilft vermutlich auch nicht, dass Epstein ein langjähriger Freund des Präsidenten war. Ein lästiges Detail, das einige, darunter der ehemalige Verbündete Elon Musk, dazu veranlasste, zu suggerieren, dass das Weiße Haus Informationen über Epstein zurückhält, um Trump zu schützen.

„Wie soll man Vertrauen in Trump haben, wenn er die Epstein-Akten nicht freigibt?“, postete Musk am Dienstag auf X, nachdem Trump versucht hatte, eine Reporterfrage zu Epstein abzuwürgen. Auch die Demokraten im Repräsentantenhaus betonten diese Verbindung. Und forderten das Justizministerium auf, sämtliches Material über Epstein zu veröffentlichen, das den Präsidenten erwähnt. Trump und Epstein sollen sich bis Anfang der 2000er Jahre nahegestanden haben. Bevor sie sich laut Trump „zerstritten“. Epstein wurde offenbar 2008 – kurz bevor er in Florida wegen Anstiftung zur Prostitution schuldig gesprochen wurde – aus Mar-a-Lago verbannt.

Wie dem auch sei. Die „fehlende Minute“ wird nun Teil des Epstein-Verschwörungsmythos, der sicherlich noch zahllose neue, abenteuerliche Theorien hervorbringen wird. Trump mag das Thema leid sein. Aber das Internet hat dafür einen unstillbaren Hunger.

Miles Klee schreibt für den ROLLING STONE USA. Hier geht es zum US-Profil