Elvis Costello, Bill Frisell – Bochum, Jahrhunderthalle

Die beiden Freunde Elvis Costello und Bill Frisell befassen sich bei der Ruhrtriennale hauptsächlich mit Nebenwerken und neuen Songs

Eröffnungsempfang zur Ruhrtriennale. Alle Besucher fein herausgeputzt, nur wenige Anorak- und Hornbrillenträger, denn Elvis Costello musiziert heute (manche sagen: nicht nur heute) fürs Bildungsbürgertum. Eine charmante Mitarbeiterin vom Uniradio mit Mickey-Mouse-T-Shirt fragt nach den Erwartungen, die man mit sich durchs Foyer trägt, bevor man das Sektglas gegen einen Sitzplatz eintauschen kann. Erwartungen? Wo unser Elvis mit Bill Frisell musiziert, jenem Jazz-Frickler, der Costellos Songs auf „The Sweetest Punch“, seiner Jazz-Bearbeitung von „Painted From Memory“, jede Schärfe und Grandezza genommen hatte? Kill BilL Volume 2?

„Century Of Song“ heißt die Reihe der Ruhrtriennale, in der Künstler unter der Leitung von Bill Frisell den Song als Erinnerungsspeicher zelebrieren. „Painted From Memory“ ist da eine naheliegende Eröffnung. Instrumental dargeboten von Bill Frisell und seinem so genannten Ensemble. Dann kommt Costello, stellt sich vor den Notenständer und croont: „You lie so unfolded/In a love field“.

Den Song spielten Costello und Frisell schon beim Meltdown-Festival 1995, dokumentiert auf „Deep Dead Blue“. Da geht einem auf, dass die Zusammenarbeit der beiden ungleichen Partner ja von Anfang an angelegt war, um die Ecken des Costelloschen Werks auszuleuchten, Nebenpfade zu erkunden und zu kartographieren. Die Mingus-Interpretation „Weird Nightmare“ taucht wieder auf, „Poor Napoleon“ und „Gigi“. Dazwischen strahlen immer wieder die Songs vom sublimen „North“, ausgemalt von Frisells Gitarre und Jenny Scheinmans Violine.

Wenn Costello selbst zur Gitarre greift und die little hands of concrete auf die Seiten krachen lässt, ändert sich sofort die Dynamik. Frisell wechselt mit allerhand Effektgeräten von der Melodieführung ins Atmophärische. „Radio Silence“ und „Dust“ können sich nicht entscheiden, ob sie R&B-Song (Costello) oder Jazz-Improvisation (Frisell) sein wollen. Spannend.

Zur ersten Zugabe kündigt Costello einen neuen Song an, den er gerade erst mit seinen Imposters im Süden der USA aufgenommen habe: „Needle Time“. Das kammermusikalische Ensemble verwandelt sich unfassbarerweise in Creedence Clearwater Revival, die „Boom Boom“ von John Lee Hooker spielen. Ein Riff, ein Schrei, ein Bellen – und schon hat sich unser Elvis dem Kulturbetrieb entzogen.

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