Entlassfeier revisited

HAMBURG, KNUST.

So sorgfältig, umsichtig und, ja: mütterlich wurden vor dem Auftritt von freundlichen Helfern Setlisten und Handtuchrollen auf der Bühne verteilt, als legte Mama schon mal Bundfaltenhose und passende Socken für morgen raus. Passt ausgezeichnet zu diesen schmalen, Konfirmanden-mäßig dreinschauenden Bübchen – Sänger Ezra Koenig trägt das klassische Preppy-Outfit aus Hemdkrägelchen und Lacoste-Pullover; so Ivy-Leaguehaft, wie es mit umgeschnallter Gitarre eben geht. Eine Art akademischer Eierkopf-Variante von Arctic Monkey Alex Turner. „Who gives a fuck about an Oxford comma“, ruft Koenig – und naturgemäß ist man im ausverkauften Knust sofort aus dem Häuschen. Grammatik zum Ausrasten, top!

Der typische Soweto-Sound in der Tradition von Paul Simons „Gracdand“ CUpper West Side Soweto“ nennt das die Band), der Vampire Weekend auf Platte auszeichnet, verschwimmt live etwas hinter Zirkusorgel und strahlenden Gitarren. „One (Blake’s Got A New Face)“ gerät zum Massenfalsettgesang in einer Fifties-Tropicana-Variante, da das ohnehin überschwängliche Stück live fast schon karibisch daherkommt. Ansonsten überwiegt eine Art Prom-Night-Stimmung: Die schulbübchenhafte Anmutung der Musiker, die Campus-und-Cafeteria-Schnurren in ihren Texten schaffen es, dass man sich zeitweise in eine Indie-Version des „High School Musicals“ versetzt fühlt. Nachzudenken gibt es nicht viel — über die Setlist beispielsweise muss angesichts des noch beschränkten Songrepertoires nicht groß gegrübelt werden. Sie besteht aus dem Debütalbum und ein bisschen Unveröffentlichtem — und so verliert man sich aufs Angenehmste in einem Gefühl von Nostalgie, einer kuhäugigen Verklärung von Zeilen wie „Can you stay up to see the dawn/ In the colors of Benetton?‘, einer Erinnerung an eine Schnöselschulenjugend, die man nie kannte — oder doch nur aus dem Fernsehen.

Nur die allerherrlichsten Konzerte transportieren einen für die Dauer eines Abends in eine andere Zeit und Welt, und in den Liedern von Vampire Weekend ist man ohnehin permanent auf der Flucht: von Cape Cod, aus einer zerdepperten Beziehung, aus einer eskalierenden Streitsituation. Junge Menschen können von einem Moment auf den anderen — zack! —von unheimlicher Leichtigkeit auf unheimliche Ernsthaftigkeit umschalten, und das Konzert profitiert genau davon: welpenhafte Spielfreude, Bühnenshow mit Knick-Knie, doch stets vorgetragen mit großer Konzentration und Akuratesse. Wohin Vampire Weekend sich in Zukunft bewegen werden, weiß niemand, doch während ihres Auftritts im Knust gewinnt man volles Vertrauen in die jungen Burschen. Alles scheint möglich, wie kurz nach der Entlassfeier. Rasend schnell ist es wieder vorbei, diese kurze, konzentrierte Injektion. Trifft sich nicht schlecht. Wir müssen ja morgen wieder früh raus, in die Schule…

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